Christoph Kolumbus

Dienstag, 01.09.2015

Meinen heutigen Blogeintrag widme ich hiermit niemand geringerem als Christoph Kolumbus.
Mir ist schon klar, dass die Geschichte ohne ihn auch nicht groß anders abgelaufen wäre. Dann hätte wahrscheinlich irgend ein anderer mutiger Seemann ein paar Jahre später sich auf den Atlantik herausgetraut, und dann wären hier trotzdem überall Häuser, Menschen und bullige Amikarren. Kaum zu glauben, dass es hier mal anders aussah, ich hab das Gefühl der nächste Baum ist mindestens eine Tagesreise entfernt. Aber er, der große Christoph Kolumbus, war nunmal der erste, der die "Saat der westlichen Zivilisation" hier gesetzt hat, dafür meinen Respekt.

Ihm hab ich es zu verdanken, dass ich mich hier in New York City (genau genommen in den Washington Heights, dem nördlichsten Teil von Manhattan) nicht komplett fremd fühle.
Klar, ich hab am Dienstag wahrscheinlich mehr Schwarze gesehen als in meinem bisherigen Leben, und klar, die Ampeln hier haben alle einen Countdown und die Trucks ne Schnauze. Aber ich hab es bis jetzt geschafft zu überleben...


...  dabei war ich mir da gestern noch nicht so sicher. Spulen wir doch nochmal in der Zeit zurück.

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Wahrscheinlich wäre ich die letzten Tage vor lauter Aufregung geplatzt, wenn ich nicht die Person dabei gehabt hätte, bei der ich mich mehr entspannen kann als bei irgendwem sonst: Annika.
Wir haben uns auf der letzten Verbindungsparty des Sommersemesters in Freising kennengelernt und lassen uns seitdem nicht mehr wirklich aus den Augen. Ich wüsste niemanden, mit dem ich im letzten Semester unterm Strich mehr Zeit verbracht hätte, inklusive Mitbewohner, Freunde und Verwandte. Deswegen hat mir folgendes Gespräch, während der langen Wartezeit am Flughafen im Frankfurt, auch noch meine letzten Zweifel an meinem Vorhaben genommen.

Dazu muss ich sagen, dass wir die Tage davor noch gut herumgekommen sind. Wir waren Smartfahren in Schweinfurt, Nachtbaden im Baggersee, Eisessen im Kurgarten, Wasserschlachten auskämpfen am Saalestrand, Weintrinken auf der Ruine über Kissingen, königlich dinieren in Frankfurt und haben der Straßenbahn dort die Gleise streitig gemacht*. Ich hatte also eine unglaublich schöne und ereignisreiche Zeit mit ihr und war bestens gelaunt. Als ich am Abend vor dem Abflug noch meine letzte Zigarette geraucht hab - in den USA darf ich das nämlich nicht - wurde mir erstmal so richtig bewusst was für ein geiles Leben ich zur Zeit habe. Und dass ich verdammt viel erreicht hab in letzter Zeit. Und dass es schon okay ist, wenn ich in den USA Fehler mach und ein paar Mal auf die Schnauze fliegen werd. Und was für ein Potential das nächste halbe Jahr erst hat... ich sag nur: ABGEHN!

Aber es war trotzdem ein ungewohntes Vorhaben, also überraschte mich folgende Frage aus heiterem Himmel am Flughafen nicht wirklich:

Annika: Bist du aufgeregt?
Ich: Hmm... ja.
Ich: Klar, verdammt aufgeregt!
Annika: Oskar, du schaffst das alles! Schaffst du doch immer.
Ich: Meinst du?
Annika: Ja.

Na dann kann ich ja beruhigt in den Flieger steigen 😀 Ich glaub, sie weiß gar nicht, wie stark ihre Aussage auf mich gewirkt hat, von dem Moment an war ich auf jeden Fall zuversichtlich. Das mag ich an ihr, ob sie es beabsichtigt oder nicht. Mit so jemand an seiner Seite kann man verdammt viel erreichen.

Also verabschiedete ich mich, lies mich abchecken und wurde ins Wartezimmer geleitet. Im Gegensatz zu Berlin hat der Frankfurter Flughafen sehr beeindruckende gläserne Wartesäle, von denen aus man alles beobachten kann. Irgendwann rollte dann mein Flugzeug vor. Für mich ein großer Moment, deswegen hab ich ihn auch auf dem Foto festgehalten. Jetzt gibt es kein zurück mehr:

 

* das ist echt passiert! fuck the system!
Und zwar auf dem Weg nach Frankfurt, Anika (das zweite n ist freiwillig, also nicht wundern) war so freundlich mich da hin zu fahren, allerdings war das nicht so einfach. Im Chaos der hunderttausend Autos und Abbiegungen, die einen beim Autofahren verwirren, kommt man da schnell auf interessante Fährten. Zum Beispiel auf die Gleise der Straßenbahn, ist voll standard da. Macht da jeder, wäre auch unhöflich dieses unerwartete Geschenk nicht zu nutzen. Und wenn man kein F wie Frankfurt auf dem Nummernschild hat darf man eh alles. Und wenn man KC drauf hat erst recht. Steht doch in der Straßenverkehrsordnung. Sorry nochmal, dass ich das nicht vorher wusste! Kommt nicht wieder vor, diese Wissenslücke :D

 

Über den Flug selber gibt es nicht so viel zu sagen, es war im wesentlichen wie erwartet. Das Einzige was mich wirklich überrascht war, war wie hoch wir über den Wolken waren. In der Atmosphärenschicht, in die wir vorgedrungen sind, der Tropopause (ca auf 11km Höhe) hatte es laut Bordthermometer bis zu zwischen -50 und -63 Grad. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie sich das anfühlen würde... wahrscheinlich wäre man nach wenigen Minuten bewusstlos und würde sterben.

Da fällt mir ein, die Flugroute war auch ziemlich unerwartet, wir mussten den Ostwinden über dem Atlantik in einem ziemlich großen Bogen ausweichen. Dabei hab ich in drei Himmelsrichtungen neue Rekorde aufgestellt. Der nördlichste Punkt der Reise und gleichzeitig meines bisherigen Lebens, die Färöer Inseln waren mit 62 Grad nördlicher Breite um längen nördlicher als der bisherige Rekordhalter in Schottland. Der Zielflughafen in New York liegt auf 74 Grad westlicher Breite, und außerdem auf 40 Grad nördlicher Breite.*
Ich hör schon meine Geschwister protestieren: "Hä aber du warst doch mit uns in Rom! Das ist dann doch südlicher, FAKE!"  Doch, es ist trotzdem ein neuer Rekord, Rom liegt nämlich auf 41 Grad nördlicher Breite. Ich war genauso überrascht wie alle, die das jetzt lesen, aber so siehts aus auf unserem Erdball.
Übrigens, der Rekordhalter was den Osten angeht ist Wien auf 16 Grad östlicher Breite. Wird echt Zeit, dass diese uralte Bestmarke auch mal fällt.

Ausserdem war ich noch nie so schnell unterwegs. Trotz suboptimalen Windverhältnissen schafften wir es auf legendäre 920 km/h. Das dürften auf dem Rückweg nochmal ein paar Zacken mehr werden.

* Nördlicher Breite (nicht südlicher) weil auf der Nordhalbkugel. Der Highscore was den Westen angeht liegt mittlerweile (04.09) bei 77 Grad westlicher Breite, in State College.

Meine Sitznachbarin war eine ca. 16 jährige Amerikanerin und hat sich nonstop durch irgendwelche Filme und Serien gezappt, ohne dabei länger als 10min bei einer einzelnen Sache zu bleiben. Echt seltsam, glaub die hatte nen leichten Dachschaden.

Aber ganz egal wie sie sich verhalten hat, es gab jemand der hatt ein noch größeren Schaden. Nämlich meine Vio Wasserflasche, die ich oben Reise leergetrunken hatte. Ohne mir groß Sorgen zu machen, drehte ich sie zu und legte sie bis zu der Landung unter meinen Sitz. Was ich sehen musste, als ich sie wieder hervorgeholt hab, kann ich mir bis heute nicht wirklich erklären:

Warum ist die so zerdrückt? Ein mechanischen Schaden kann ich ausschliessen, als ich sie nämlich aufmachte war sie ruckzuck in alter Form und Fülle. Die Blondine hinter mir meinte, die Luft hätte sich in der Flasche zusammengezogen. Typisch blonde Aussage, ohne jede Theorie dahinter. Wer kann es mir erklären?

Während der Flug super angenehm und kurzweilig war (Air Berlin ist gut, fliegt mit Air Berlin) wurde es danach ziemlich heavy. Bevor ich nämlich amerikanischen Boden berühren durfte, musste ich durch den Zoll, was krasse drei Stunden in Anspruch nahm. Zum Glück hatte ich wenigstens Gesellschaft, nämlich oben erwähnte Blondine und ihre Freundin. Die beiden waren aus München und sehr angenehm und witzig drauf, selten so viel mit fremden Leuten gelacht. Leider waren unsere Reisepläne komplett unterschiedlich, naja was solls.

Der Satz des Tages war auf jeden Fall die Aufforderung, kein Obst und Gemüse einzuführen, die uns locker von fünf Seiten eingebläut wurde. In Berlin am Flughafen, per Flugzeugdurchsage, als wir gelandet sind und in der Warteschlange per Lautsprecher und Videobotschaft. Als mich der Zollbeamte allen ernstes auch noch fragte, ob ich irgend ein Obst dabei hab, musste ich versehentlich laut auflachen. Die Vorstellung mit einer fetten Melone unterm Arm da hin zu spazieren und mit verblüfftem Gesicht zu sagen "echt verboten??? das wusste ich nicht" zu sagen ist einfach zu amüsant. Glaub das mach ich als Renter mal, wer ist dabei?

Ich könnt ja auf dem Rückweg auch ein paar von denen übern Zoll werfen, schaut mal:

Intressante Früchte essen die da zum Teil in den ärmeren Vierteln. Diese fetten grauen Knollen links heissen übrigens Batatas und sind so eine Art Kartoffelersatz.

Der Abend ging dann auf jeden Fall mit einer Odysee durchs ultra hässliche New Yorker Ubahnnetz weiter, in dem ich ohne Internet und dem Wissen, dass es Expresszüge und etliche Linienteilungen gibt, erstmal ziemlich überfordert war. Scheisse, das ist eine ziemlich große Umstellung, da merkt man erst mal wie abhängig man als Smartphone User von Google Maps ist.

Aber, was Annika sicherlich nicht überrascht hat, irgendwie bin ich nach etlichen Sackgassen und Umwegen irgendwann gegen neun Uhr Ortszeit doch bei meinem Vermieter Ezra angekommen. Die einzigen, die bei meiner Ankunft wirklich erstaunt waren, waren meine Freunde, die amerikanischen Steckdosen:

Die Überraschung steht ihnen sichtlich ins Gesicht geschrieben. So sahen die Indianer bestimmt auch aus, als Christoph Kolumbus ihnen sein Schiff zeigte.

Ich verabschiede mich bis zum nächsten Beitrag, aus New York. Hier noch das Abschiedsfoto aus Bad Kissingen mit Annika, das einzige Selfie dieses Blogs: