Dienstag, 25.08.2015
Hallo lieber Leser, schön, dass du hier vorbeischaust!
Niemand soll behaputen können, hier auf meinem Reiseblog ist es nicht schön eingerichtet.
Deswegen ist meine erste Maßnahme als frisch gebackener Hobby Autor erstmal für ein bisschen Atmosphäre zu sorgen... als Hintergrundmusik empfehle ich folgenden Link zu aktivieren (aber bitte in einem neuen Tab)
Bloodhound Gang - Pennsylvania
Keine Sorge, mein Musikgeschmack ist immer noch der alte, aber für die Bloodhound Gang hatte ich schon immer eine Schwäche. Die dürfen hier auch mal ein bisschen rockigere Klänge verbreiten.
Weiter gehts mit der Optik: Ich gelobe hiermit dass ich mein Titelbild mindestens so oft wechsle wie meinen Küchenschwamm (kleiner Joke am Rande, natürlich öfter) und stets nur die Perlen meiner Handygalerie zur Verfügung stelle. Falls mir jemand was aufregendes aus Deutschland schickt hab ich vielleicht auch ein paar Tage Platz dafür, am besten per E-Mail an Oskar_Seitz@gmx.de.
Kommen wir zu Aufbau, Zweck, und Publikum dieses Blogs. Wer gleich Geschichten leses möchte muss ein Post weiterscrollen.
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Im Gegensatz zu den meisten Reiseblogs ist dieser hier chronologisch aufgebaut. Das heisst, mein neuester Post ist immer ganz unten, Pech für diejenigen die gerade weitergescollt haben.
So können Leute die hier nicht von Anfang an mitlesen (oder ich in ein paar Jahren) sich gleich ein Bild von den Ausgangsbedingungen machen, und das Ganze hier wie ein Buch lesen.
Da die Blutsauger von Auslandsblog.de eine Premium Mitgliedschaft verlangen, damit man sein Blog mit einem Passwort schützen kann, wird das hier vorerst ungeschützt im Netz stehen und jeder der des Deutschen mächtig ist kann hier mitlesen. Allerdings werde ich das vermutlich bald ändern, und das Passwort nur an ausgesuchte Leute weitergeben. Warum? Weil ich hier frei von der Leber weg meine Eindrücke schildern will, und mir nicht 100 mal überlegen will ob wirklich die ganze Netzgemeinde inklusive Großeltern, Exfreundin und zukünftigem Arbeitgeber* wissen soll, welche Ängste mich so begleiten oder was ich so mit der Telefonnummer von der attraktiven Stewardess vorhab.
Ich bin sehr dankbar, dass ich hier gratis bloggen kann und dass der Premium Account so billig ist, an dieser Stelle ein großes Dankeschön an den Betreiber. Auch ein Dankeschön an meine Kommilitonin Andrea, dank der ich die Seite entdeckt habt. Lest ihren Bericht!
* Schöne Grüße an dieser Stelle! Fallt vor Lachen nicht vom Stuhl, blos weil ihr es trotzdem entdeckt habt.
Ich will hier nicht nur einen Reisebericht schreiben, sondern auch meine Gedanken aufzeichnen und meine Erkenntnisse schwarz auf weiß behalten. Also ist das hier sowohl für Leute geeignet die sich für die USA interessieren und da vielleicht mal hinfahren wollen, als auch für Leute die sich für mich und mein Schicksal interessieren.
Da ich schon immer Bock auf eine Plattform hatte, wo meine Gedanken in Form von Text oder Audiodateien Spuren hinterlassen können, wird das hier eine ziemlich umfangreiche Seite. Hoffentlich gelingt es mir, hier auch gesprochene Einträge (oder zumindest die Links zu solchen) zu präsentieren. Es macht mir zwar wenig aus, zu schreiben, aber es ist schon angenehmer so. Auch für die Leser beziehungsweise Zuhörer. Es wird hier auch von Zeit zu Zeit Beiträge geben, in denen ich meine Meinung zu diversen Themen zum Besten geb oder abschweife, ich werde diese extra kennzeichnen. Nicht dass ihr euch durch ne ganze Textwand kämpft in der Hoffnung da kommt noch was über die USA.
Natürlich schreibe ich nicht für mich alleine, da würde mir schnell die Motivation ausgehen. Ich hab noch nie ein Tagebuch länger als ein Monat durchgehalten, und selbst wenn ich es täte würd ich wahrscheinlich bald in einen sehr langweiligen Schreibstil verfallen so dass ich es mir niemals nochmal anschaue.
Das Einzige wobei ich in dieser Richtung zumindest von März '14 bis heute nur für mich selbst konsequent geblieben bin ist meine Sündenstatistik wo täglich mein Zigaretten und Alkoholkonsum sowie andere Sachen mit ein paar Symbolen dokumentier. Sinn des Ganzen ist ein unverzerrter Blick auf meine Süchte und wie sie sich gegenseitig beeinflussen... und tatsächlich habe ich mich in dieser Hinsicht völlig falsch eingeschätzt. Aber ich schweife ab, es ist noch zu früh für den ersten Extrabeitrag 😀
Mein Vorsatz ist hier mindestens ein Eintrag pro Woche reinzuschreiben, steinigt mich nicht wenn ich mal länger brauch oder Kurzeinträge hinspucke. Ich hab schon etwas Blogerfahrung, damals war das Ganze aber von vorneherein nur auf zwölf bzw sechs Woche beschränkt. Auch das hier wird nicht ausarten, mit meiner Rückkehr nach Freising (oder wenns dumm läuft in die JVA Erding) ist hier spätestens der Schlusspunkt gesetzt.
So, ich sitz hier noch in Bad Kissingen... Zeit den ersten Eintrag zu droppen. Auf eine gute Story!
Dienstag, 25.08.2015
So, es wird Zeit mal in die Vergangenheit zu schauen. Dass ich hier überhaupt davon ausgehen kann in die USA zu verreisen ist das Ergebnis einer langen Ereigniskette. Dabei gab es vorallem fünf große Nüsse, die ich alle zum ersten Mal in meinem Leben knacken musste.
Eine davon knackte ich easy an wenigen Tagen, die zweite eher im Hintergrund, die dritte auch souverän, wenn auch nicht ganz so locker und mit monatelangen Mühen, die vierte letztendlich mit fremder Hilfe nach vielen fehlgeschlagenen Versuchen, und bei der fünften steh ich womöglich vor einem Trümmerhaufen einer von allen seiten malträtierten und zermahlenen Nuss, die auf jeden Fall schon lange nicht mehr schmeckt.
Der Eintrag hier geht vor allem an alle raus, die ebenfalls mal in die USA wollen, für den Rest ist er eher langweilig.
Also für die Story rund um den Abflug nochmal einen Beitrag nach unten scrollen, Ladies & Gentleman
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Ich komm direkt zu den oben erwähnten Herausforderungen, die Geschichte wie ich überhaupt auf die Idee komme ein Praktikum in den USA zu machen, was ich über Amerika denke, was ich mir vom Praktikum erhoffe und wie das generell in mein Leben passt heb ich mir mal für später auf...
Der Praktikumsplatz - die vierte Nuss
Es vergeht kaum eine Woche, an der ich nicht aus irgendeinem Anlass meinen Praktikumsvertrag sehe. Und jedes Mal seh ich in der Unterschrift meiner zukünftigen Chefin, Professor Kathleen Keller, all die Mühen die dahinter standen. Und jedes Mal kommt wieder der Triumph in mir auf, dass ich es geschafft habe an diese Unterschrift zu kommen.
Ich war nämlich mehr als einmal kurz davor, das ganze Projekt abzublasen. Alle anderen Probleme kann man irgendwie mit Geld und Ausdauer lösen, nicht aber das Problem, eine Anstellung als Lebensmitteltechnologe zu finden. Weil, wer hätts gedacht: Die Unis der vereinigten Staaten schreien nicht gerade nach Leuten wie mir. Zwanzigjährige Studenten, die gerade mal vier Semester hinter sich haben und grün hinter den Ohren sind, was praktische Erfahrungen angeht.
Aber ich hatte vielen Praktikumssuchenden etwas vorraus, etwas dass man sich auch nicht erkaufen konnte. Ich wusste, dass es nicht unmöglich ist. Ich wusste, dass alleine im Wintersemester '14 zwei Leute aus meiner Hochschule in den USA untergekommen sind. Ohne die Gewissheit, dass man es als deutscher Student schaffen kann, hätte ich spätestens nach der fünften aufwendigen Initiativbewerbung ohne Antwort aufgegeben, und mich nach anderen Ländern und Betrieben umgesehen. Tatsächlich dürfte meine Anzahl an Bewerbungen über fünf liegen.
Aber so blieb die Motivation oben. Wie immer, wenn ich mir an etwas die Zähne ausbeisse, versuchte ich mir Hilfe zu holen... und das war letztendlich der entscheidende Schritt. Ich musste nur auf dem selben Pfad losgehen wie die Leute vor mir. Jaqueline Krampfl, Martina Engst und vorallem Johannes Rehrl konnten mir den entscheidenden Schubs nach vorne geben, das Timing war perfekt. Untergekommen bin ich letztendlich in dem selben Labor, in dem Johannes auch war, dem..
The Metabolic Kitchen and Children’s Eating Behavior Laboratory
Einmal unterschrieben, stellte ich meine Suche nach passenden Insititutionen sofort ein, dieses Labor trifft nämlich meine Interessen auf den Punkt.* Selbst wenn es quer zu meinem sonstigen Werdegang stehen sollte... ich bin mir sicher es wird mir auch was meine berufliche Zukunft angeht den Weg weisen.
Wer die Bewerbungsmail möchte, möge mich kontaktieren.
* Was ich daran so spannend finde, erzähl ich auch mal bei Gelegenheit. Es hat mit dem grundlegenden Unterschied zwischen Ernährungswissenschaften und Lebensmitteltechnologie zu tun, über den ich mir schon stundenlang den Kopf zerbrochen hab.
Fazit: Bei der Suche nach einem Praktikumsplatz ist Hilfe von Insidern Gold wert. Es geht aber bestimmt auch ohne!
Das Visum - die dritte Nuss
Heute! Mittwoch der 26. August. Heute ist eigentlich ein Feiertag für mich, weil ab heute gibt es kein Zurück mehr. Ich hab es, das Visum. In der Hand, auf der vierten Seite meines Reisepasses.
Wie groß es wohl ist? Wie es wohl aussieht? Wie sie das Foto drin eingebaut haben?
Am besten leg ich euch gleich mal ein Foto dieses hart umkämpften Dokuments bei...
... oder auch nicht 😛 Irgendwas an dem ganzen Visumprozess muss ja spannend bleiben, sonst kriegt man ja gleich die Krise. Meine Vorgänger waren sich einig, dass das Visum das größte Hindernis auf dem Weg in die USA ist. Ich seh das komplett anders, ich fand das Visum von allen Herausforderungen am selbstverständlichsten. Was sollte da schon schief gehen, sind doch alles geordnete Bahnen.
Und ich behielt Recht mit meiner Einstellung, alles lief genau ab wie erwartet. Man muss nur den riesigen Papierberg bekämpfen und vieeeel Geduld sowie eine lockere Einstellung zu seinem Geld haben. Und sich nicht von gewissen Leuten in Unruhe versetzen lassen. "Üüüh das Visum von meine Schwester wurde ein halbes Jahr auf der Botschaft bearbeitet und kam erst ein Tag vor dem Abflug an" Als ob. xD
Als nützliche Nebenwirkung hab ich sämtliche Unterlagen von mir, die zuvor in einem ungeordenten Stapel von der Größe der Zugspitze in meinem Zimmer trohnten, in ein ordentliches System eingeschachtelt und außerdem viel über Sinn und Unsinn von Bürokratie gelernt.
Hier für alle Nachahmer die einzelnen Schritte, die folgenden Dokumente muss man auch alle in die Botschaft mitnehmen. Die Liste ist komplett.
1.) Reisepass | 40€
Ohne Reisepass geht garnichts, ausserdem sieht der echt edel aus. Da kriegt man auch was schickes für sein Geld 😳 Einfach mit Foto und Perso zum Rathaus marschieren.
2.) DS-2019 und DS-7002 | 52€
Ich weiß nicht, ob diese beiden Dokumente rechtzeitig ins Rollen gekommen wären, wenn ich nicht vor ca 12 Wochen bei meiner zukünftigen Uni herumgenervt hätte. Irgendwann bekam ich eine Mail eines Unimitarbeiters, dass ich auf einem gewissen Portal gefühlte 100 Dokumente hochladen soll, daruter eine Bestätigung einer Auslandsversicherung sowie eine Bestätigung meines Dekans (!) dass ich an der HSWT studiere (kein Scheiss!). Nachdem ich das alles pfeilschnell in einer Woche organisierte ruhte der ganze Papierstapel erstmal fast zwei Monate an der Penn State University.
Die beiden mysteriösen Formulare beinhalten eine vorgedruckte Erklärung der Penn State, dass sie dich wollen und einem Arbeitsplan für mich der, sehr zu meinem Erstaunen, schon von Anfang an online war. Was die Leute da zwei Monate gemacht haben und warum so ein Vorgang bei anderen Organisationen über 1000 Euro kostet ist mir ein völliges Rätsel. Wenigstens diese Finanzklatsche hat mir meine Uni erspart.
Das erinnert mich alles so ein bisschen an diese Schlepperbanden die für abartig hohe Preise Flüchtlinge nach Europa schleusen... ich hab mich schon immer gefragt was die machen wenn sie mal ausm Knast kommen. Wie auch immer, das vorgeschriebene "Express Shipping" der Dokumente nach Deutschland wurde mir zu 52€ in Rechnung gestellt und dauerte trotzdem fünf Tage. Ich fühl mich komplett verarscht, ein Brief mit den paar Zetteln hätte grad 80ct gekostet.
Ich werd mich in Amerika nochmal informieren was da bitte abgeht, davon werd ich noch berichten, Freunde!
3.) Sevis Bestätigung | 166€
Der teuerste Bestandteil des Visums ist der Bestätigungszettel deiner SEVIS Gebühr die du für oben genannten Prozess zahlen musst. Ich glaub das hängt mit der elektronischen Überwachung von dir in den USA zusammen, auf jeden Fall zahlt man da saftig. Geht nicht ohne DS-2019
4.) DS-160 und Zahlungsbestätigung | 152€
Man glaubt es kaum, das absolute Kernstück des Visums, das DS-160 gibts gratis zum ausdrucken!!! 😀 Vorrausgesetzt man hat SEVIS schon gezahlt.
Nachdem erstmal geklärt ist, ob man Teil eines Indianerstammes ist [Klar, sogar Medizinmann] oder ob man plant in sich in den USA zu prostituieren [Wie soll ich den sonst meine Visumsgebühren finanzieren?] ist allerdings im nächsten Schritt, bei der Terminvereinbarung wieder ein dreistelliger Betrag fällig. In meinen Augen die größte Unverschämtheit des ganzen Visa Prozesses. Ich mein: WOFÜR? Man wird an der US-Botschaft abgefertigt wie am Fließband. Reingehen, sich an den Eiern abklopfen lassen, 20min mit ein paar anderen Idioten im lieblosen Wartezimmer warten, Finger scannen lassen, 2min Visumsgespräch durch eine Glaswand, Enjoy your Trip und schon ist man wieder draussen. Dass ist alles, niemals verursacht der Vorgang Kosten die auch nur ansatzweise in der Nähe von verdammten 152€ sind.
Was soll das eigentlich? Warum werd ich nicht mit offenen Herzen empfangen? Ich mein, ich zahl doch eh nur ein, ich leb da, zahl da Miete, konsumier da massiv indem ich deren ekelhaftes Toastbrot ess sowie ihr Mountain Dew trink und unterstütz amerikanische Forschungsprojekte gratis. Und ich darf nichtmal irgendnem fetten unnützen Ami die Arbeit an der Mac Donalds Kasse klauen. 😛
Warum werd ich also dafür so krass zur Kasse gebeten? Wer immer sich diese Gebühren ausgedacht hat ist der größte Bastard den das Land je hervorgebracht hat!
5.) Passbild | 17€
Sieht voll schick aus, ich mit kurzen Haaren 😘 Muss natürlich eine US konforme Spezialanfertigung (5x5) sein, deswegen 17 Euros beim Foto Hanff in Kissingen.
Also kommen wir unterm Strich auf 427€ fürs Visum, überlegts euch lieber nochmal ob ihr wirklich in die USA wollt! Die werden anscheinend so mit mittel- und südamerikanischen Antragstellern überrannt, dass sie sich solche Gebühren leisten können.
Fazit: Das Visum zu bekommen ist nicht schwer, aber teuer. Im Endeffekt ist es auch nur ein Stück Papier, mit dem ich mir irgendwann den Hintern abwischen werde, weil es nichts mehr wert ist.
Das Stipendium - die zweite Nuss
Da meine Arbeit im Labor aller vorraussicht nach kein Schotter abwirft, musste ich mir einen anderen Sponsor suchen. Und wurde beim überaus freundlichen deutschen akademischen Auslandsdienst fündig. Die Entscheidungsträger, wer von den ganzen Antragsstellern ein PROMOS Stipendium kriegt, waren sehr zu meiner Freude alte Bekannte... meine Freunde vom akademischen Auslandsamt und vom Career Center. War ja klar, dass da nichts schiefgehen konnte. An dieser Stelle liebe Grüße an meinen Kumpel Felix, der sich auch vom DAAD Geld in den Arsch blasen lässt! 🤑
Das ist auch das erste Mal, dass meine guten Noten mir in meinem Leben helfen. Ich mein, alles was ich bisher in meinem Leben erreicht hab, hätte ich auch ohne meinen 1,9 Schnitt genauso schaffen können. Hier hab ich zum ersten mal eine Quittung für meine Studienerfolge bekommen.
Wichtig ist, sich rechtzeitig zu bewerben und sich beim Motivationsschreiben Mühe zu geben. Immer schön das liefern was die hören wollen, Leute! Man beachte den jeweiligen Bewerbungsschluss auf der Homepage. Ob ich zusätzlich Auslands Bafög krieg, ist noch nicht entschieden, drückt mir die Daumen.
Fazit: Mir wurde erst im Moment der Stipendienübergabe klar, dass PROMOS der Motor meines kompletten Vorhabens ist und mir das Leben massiv erleichtert. Bewerben lohnt sich!
Der Flug - die erste Nuss
Wer von euch weiß eigentlich, dass ich in meinem Leben noch nie in einem Flugzeug saß? Wahrscheinlich die wenigsten, ich bin auch nicht gerade stolz drauf. Aber Tatsache: Ich bin bisher eine komplette Landratte. Weder die Lüfte noch die hohe See hab ich nennenswert erobert.
Jaa, ich weiß! 100% jungfräulich bin ich auch nicht. Ich hab schließlich schonmal die Autofähre von Calais nach Dover genommen, und ich war auch schonmal in einer kleinen viersitzer Propellermaschine über Bad Kissingen. Aber ich glaub ihr wisst, was ich meine. Noch nie "so richtig". Über einem Ozean. So, dass man nur Wasser sieht. Auf dem Weg zu einem anderen Kontinent... Gott hab ich Vorfreude!!! 😀😀😀
Da ist es nur natürlich, dass es für mich keine Selbstverständlichkeit, sondern ein fettes Hindernis war überhaupt einen Flug zu bekommen. Und zwar einen mit fairen Konditionen. Kein Scheiss, ich hab vor lauter schwankenden Flugpreisen schon ernsthaft nach der Möglichkeit Auschau gehalten, als Gehilfe auf einem Schiff den Ozean zu überqueren, so nach dem Motto Hand gegen Koje...
Moment mal, wieso hab ich den Gedanken überhaupt beiseite gelegt? Gut, dass ich grad nochmal drüber reflektiere, vielleicht ist das ja doch eine Option... achja da war ja diese Sache mit dem Seerecht, dass ich erst monatelang in einem Hafen hätte arbeiten müssen. Naja, zurück zum Flug, da hab ich glücklicherweise als Antwort auf einen kleinen facebook Hilfe Post ein paar nützliche Tipps erhalten. Um dann letztendlich doch auf eigene Faust über STA Travel einen Flug nach New York selber zu buchen.
Aber so wusste ich wenigstens, dass es ein fairer Preis ist. Im Nachhinein hab ich mich damit aber ziemlich festgenagelt, mal sehen wie das noch ausgeht.
An dieser Stelle muss ich nochmal die Webseite der Internationalen Studentenkarte loben, die mir den Kontakt zum STA Travel und Air Berlin hergestellt hat. Ein Muss für jeden Student, der was im Ausland plant, auch was Versicherungen und Handyverträge betrifft: http://www.isic.de/
Fazit: Ich hab noch keine Ahnung ob meine Entscheidung gut war, ich hab aber ein gutes Bauchgefühl. Fischt mich dann aus dem Atlantik, okay?
Die Wohnung - die fünfte und letzte Nuss
Was würdet ihr machen wenn ihr die Wahl hättet? Folgende Situation gilt es zu lösen:
Stellt euch vor du bist ein kleiner deutscher Student, frische 20 Jahre alt - in den USA nichtmal volljährig - und voller Motivation und Tatendrang. Natürlich willst du bei den kalten Wintern in Pennsylvania (gewissen Websites zufolge hat es dort bis zu -29°C und es robben Walrösser durch die Innenstadt) ein Dach über dem Kopf haben. Allerdings stellt sich heraus, dass du in einer absoluten Ausnahmestadt suchst. Hier hilft dir deine Erfahrung, was Mietpreise angeht, wenig. Du hast es mit einer Stadt zu tun, die im Rhythmus der amerikanischen Trimester pulsiert, und deren Wohnungsmarkt für Einheimische vermutlich berechenbar ist wie ein Herzschlag.
Wobei es kaum echte Einheimische gibt. Die Stadt fasst 40000 Einwohner, an dem Campus, der das Zentrum der Stadt bildet, studieren jedoch 45000 Studenten. Unmöglich? Dachte ich mir auch, aber hier die jeweiligen Zahlen nochmal aus Wikipedia:
>>> State College ist eine Gemeinde im Centre County im US-Bundesstaat Pennsylvaniamit gut 40.000 Einwohnern.
>>> Insgesamt sind über 86.000 Studenten an den 24 Standorten der Pennsylvania State University eingeschrieben, davon 45.000 auf dem Hauptcampus und Verwaltungssitz University Park
Da darfst du natürlich nicht mit all zu hohen Erwartungen an die Suche gehen, und solltest über jedes Angebot froh sein. Sehr zu deiner Überraschung findet sich auf der amerikanischen Allzweckseite Craigslist sowie auf facebook ein reger Wohnungsmarkt kurz vor Beginn des winterlichen Fall Semesters. Die Mietpreise sind zwar im Schnitt ums doppelte höher als die in Freising (und Freising ist eine der teuersten Städte Deutschlands), aber wenigstens gibt es Angebote. Als du jedoch versuchst dir ein Zimmer klarzumachen, erlebst du dein blaues Wunder. Fast alle Anfragen werden entweder ignoriert oder nur zur einjährigen Miete angeboten, und du wirst ausdrücklich gewarnt dass es im Sommer schwer ist einen Nachmieter zu finden. Das Einzige was du wirklich in die Finger bekommst, sind Schlafsäle die du dir mit anderen Studenten teilen musst. Du versuchst es schon bei Studentenwohnheimen, doch die halten dich hin und sagen, du sollst dich nächste Woche nochmal melden.Da taucht, mehr oder weniger aus dem nichts, ein Angebot auf. Es ist weder gut, noch katastrophal. Ein kleiner Raum bei einer afroamerikanischen Familie, sieben Kilometer von deinem Labor entfernt für stolze $550 im Monat. Vertragslaufzeit frei wählbar.
Und? Was machst du? Nimmst du an, oder lehnst du ab?
Wählst du den sicheren Weg mit einem Dach überm Kopf und einem stetig schrumpfenden Konto oder den riskanten Weg, einfach ohne Wohnung in State College aufzutauchen und dich durchzuschlagen?
Meine Entscheidung fiel mir nicht leicht, deshalb das Bild der zertrümmerten Nuss. Aber ich denke ihr ahnt schon welche Wahl ich getroffen habe. Auch wenn ich bei dem mühsamen Weg viel gelernt hätte... ich hab mir einen sicheren Hafen geleistet! Der Vertrag ist unterschrieben und eingescannt, wenn nicht irgendwas völlig unerwartetes eintritt verbringe ich die nächsten fünf Monate in einer Kammer unter dem Treppenhaus einer sympatischen jungen Mutter namens Robin Hill und geb ihrem kleinen Balg Deutschnachhilfe.
Fazit: God save the Queen! Ob ich meine Entscheidung bereue, erfahrt ihr im Laufe des Blogs.
Samstag, 29.08.2015
Tss, ich muss hier einfach nochmal was schreiben, ich halts grad echt nicht aus vor Spannung 😀
Ich schick euch am besten mal ein aktuelles Foto von mir, moment...
*ich heute morgen nach dem aufstehen*
Nur noch vier Tage... oder zweieinhalb mal schlafen... dann gehts los. Ihr fragt euch bestimmt warum ich hier so herumzappel wie ein Affe, ist ja normal auch nicht meine Art. Oder etwa doch? Ich erinner mich an mindestens eine Situation in meinem Leben, wo ich mich genauso gefühlt hab.
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So dieses epische Gefühl. Gleich passiert was richtig großes, gleich wird sich alles verändern, gleich muss ich mit hunderten unerwarteten Sachen gleichzeitig umgehen.
Ich glaub so Freizeitbeschäftigungen wie heiraten oder Kinder kriegen sind nen Witz dagegen! Hier geht es um nicht weniger als eine 180 Grad Wendung. Das einzige was konstant bleibt, ist dass ich es mit einer Studentenstadt und generell dem akademischen Leben zu tun habe. Wenn auch nicht als Student...
Ich glaub es wird in meinem Leben eine Hand voll solcher Ereignisse geben, vielleicht auch mehr. Aber wenn man das auf eine Lebensspanne verteilt, ist das nicht viel. Deswegen auch meine Aufregung. Ich mein, wann wird man schon mal komplett aus seinem Umfeld gerissen?
Der Studienanfang war ein noch größerer Umbruch in meinem Leben. Da war die "das erste Mal" Liste** noch länger... und wenn ich das im Rückblick so betrachte war das die schönste Zeit meines Lebens. Ich hab mich immer noch nicht ganz an das neue Lebensgefühl als selbstständiger Student gewöhnt, es ist für mich immer noch nicht selbstverständlich, und ich genieße das.
Ich weiß noch wie als wäre es gestern, als ich in mein Studentenwohnheim eingezogen bin. Die erste Nacht in meiner eigenen Wohnung. Ich glaub jeder von euch Mitlesern hat da auch noch Erinnerungen übrig, damals zum Studienbeginn...
Dann am nächsten morgen, das erste Mal, dass ich mich rausgetraut hab 😀 Eins muss man mir lassen, ich hab mich echt schnell integriert. Kein Wunder, ich hab ja auch gnadenlos jeden Studenten der mir im Wohnheim übern Weg gelaufen ist in ein Gespräch verwickelt (oder zugelabert, je nachdem). Einige hab ich nie wieder gesehen, andere erst drei Semester später wieder. Aber ich hab mich wohl gefühlt, und ich wusste, dass ich hier willkommen bin. Und ich hatte schnell etwas, das mir bis heute Gold wert ist: Einen festen Freundeskreis, mit dem ich meine ganzen Erlebnisse teilen konnte.
Und genau die gleiche Einstellung sollte ich doch den Amis gegenüber auch an den Tag legen. Es wär doch schön, eine zweite Heimat auf einem ganz anderen Kontinent zu haben. Wie cool wäre es, wenn ich in fünf Jahren nochmal bei meiner Hausbesitzerin vorbeifliegen würde 😉 Um zu schauen wie sich die Penn State so entwickelt hat. Vielleicht im Rahmen einer Weltumrundung... hmmm da kommen Träume auf.
Ich sitz hier grad am PC und lauf mit Google Street View in Amerika rum 😀 Echt krass, da ist das viel mehr verbreitet als hier, bin grad um den halben Salzsee marschiert. Jetzt ists aber auch mal wieder gut, nicht dass ich mir alle Überraschungen vorweg nehme.
Außerdem muss ich noch mein Eigentum auf 23kg komprimieren und in meinen Koffer stopfen, das wird auch noch ein Gemetzel...
In den nächsten drei Tagen werd ich zum Glück nichts schreiben können, da krieg ich Besuch. Ich hab mich, außer von dieser Person, im Laufe des letzten Monats wirklich von jedem Spasti verabschiedet, da wird es jetzt Zeit für das große Finale. Hoffentlich nicht mit Tränen und blauen Flecken, so wie bei meiner Familie in London! Wobei, das gehört doch dazu...
Ich werde aus dem Flugzeug berichten, bis dann!
* Natürlich war das nicht ganz ernst gemeint, wenn man Kinder kriegt ist das sicherlich auch ein Riesenereignis und ein ganz neuer Lebensabschnitt fängt an...
...beim heiraten seh ich das übrigens nicht so. Ich finde, Hochzeiten werden in unserer Gesellschaft maßlos überschätzt. Ich mein, was ändert sich denn groß an der Beziehung? Man verspricht sich die Treue, na das ist doch hoffentlich nichts neues. Oder ist man die Jahre vor der Hochzeit fröhlich fremdgegangen nur um dann vor dem Altar zu sagen: "Schluss jetzt".
Deswegen überleg ich mir auch nochmal gut, überhaupt zu heiraten, zumindest krichlich.
Ich finde solche Sätze wie "Ich verspreche dir und schwöre auf Gott, dass ich dich immer lieben und für dich sorgen werde in guten wie in schlechten Zeiten bis der Tod uns scheidet" generell nicht aufrichtig. Klar, niemand ist immer aufrichtig, aber hier geht es ja nicht um eine Kleinigkeit, sondern um eine Entscheidung die dein Leben massiv beeinflusst.
Besser fände ich: "Ich glaube fest daran und habe die Hoffnung, dass ich dich immer lieben werde" oder ähnliches. Ich mein, wie kommt man dazu, zu versprechen, dass man immer positive Gefühle für seine Partnerin hat? Vielleicht verändert sie sich ja mit der Zeit und wird im Alter zu einer absoluten Haustyrannin. Oder schlimmer, sie fängt nach ihrem ersten Kind an dich auch wie ein Kind zu behandeln. Kann alles passieren, wie will man das ausschliessen?
Ich versteh, wieso viele Leute so eine kirchliche Hochzeit romantisch finden. Und ich bin mir sicher, dass die meisten ihren Eheschwur auch in dem Moment 100% ernst meinen. Aber wenn man sich mal anschaut, wieviele Paare sich wieder trennen (so um die 45-50%, ich glaub diese Zahlen sind jedem bekannt) dann zeigt dass doch nur, dass diejenigen entweder ihren Schwur nicht ernst genommen haben oder sich damals selber nicht gut genug gekannt haben. Und genau solche Kerle würde ich als Mädel ohnehin nicht heiraten.
Ich will mit einer möglichen Trennung kein Versprechen brechen, sondern trotzdem im Reinen mit mir selber bleiben. Ich kenn genug Leute die sagen, das wäre eine feige Einstellung, weil man sich damit eine Hintertür offen lässt. Ich behaupte, das tut jeder...zumindest in Gedanken. Wäre Ehebruch mit Todesstrafe verboten, so wie in manchen Ländern im nahen Osten, würden wir da ganz anders drüber denken und nicht so leichtfertig Sachen auf Gott schwören. Nicht dass ich das gut fände, ich hoffe ihr versteht was ich damit sagen will...
Allerdings bin ich auch noch jung und vielleicht bekomm ich ja eines Tages auch noch das Bedürfnis zu heiraten und feierlich Ringe auszutauschen. Ansichten zu dem Thema sind nämlich wie Gefühle zu seinem Partner - veränderlich. Aber ihr werdet sicher niemals erleben, dass ich sag "Ja das Versprechen damals war eh nicht ernst gemeint blabla hab Bock auf ne andere blub" Falls doch dürft ihr mich gerne beerdigen! Word.
So, es eignet sich doch nichts besser um ein paar Reaktionen auszulösen als eine provokante Thesen 😀 Wer will, möge kommentieren.
** die "das erste Mal" Liste nach der ersten Woche in den USA wird hier natürlich auch eingefügt!
Dienstag, 01.09.2015
Meinen heutigen Blogeintrag widme ich hiermit niemand geringerem als Christoph Kolumbus.
Mir ist schon klar, dass die Geschichte ohne ihn auch nicht groß anders abgelaufen wäre. Dann hätte wahrscheinlich irgend ein anderer mutiger Seemann ein paar Jahre später sich auf den Atlantik herausgetraut, und dann wären hier trotzdem überall Häuser, Menschen und bullige Amikarren. Kaum zu glauben, dass es hier mal anders aussah, ich hab das Gefühl der nächste Baum ist mindestens eine Tagesreise entfernt. Aber er, der große Christoph Kolumbus, war nunmal der erste, der die "Saat der westlichen Zivilisation" hier gesetzt hat, dafür meinen Respekt.
Ihm hab ich es zu verdanken, dass ich mich hier in New York City (genau genommen in den Washington Heights, dem nördlichsten Teil von Manhattan) nicht komplett fremd fühle.
Klar, ich hab am Dienstag wahrscheinlich mehr Schwarze gesehen als in meinem bisherigen Leben, und klar, die Ampeln hier haben alle einen Countdown und die Trucks ne Schnauze. Aber ich hab es bis jetzt geschafft zu überleben...
... dabei war ich mir da gestern noch nicht so sicher. Spulen wir doch nochmal in der Zeit zurück.
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Wahrscheinlich wäre ich die letzten Tage vor lauter Aufregung geplatzt, wenn ich nicht die Person dabei gehabt hätte, bei der ich mich mehr entspannen kann als bei irgendwem sonst: Annika.
Wir haben uns auf der letzten Verbindungsparty des Sommersemesters in Freising kennengelernt und lassen uns seitdem nicht mehr wirklich aus den Augen. Ich wüsste niemanden, mit dem ich im letzten Semester unterm Strich mehr Zeit verbracht hätte, inklusive Mitbewohner, Freunde und Verwandte. Deswegen hat mir folgendes Gespräch, während der langen Wartezeit am Flughafen im Frankfurt, auch noch meine letzten Zweifel an meinem Vorhaben genommen.
Dazu muss ich sagen, dass wir die Tage davor noch gut herumgekommen sind. Wir waren Smartfahren in Schweinfurt, Nachtbaden im Baggersee, Eisessen im Kurgarten, Wasserschlachten auskämpfen am Saalestrand, Weintrinken auf der Ruine über Kissingen, königlich dinieren in Frankfurt und haben der Straßenbahn dort die Gleise streitig gemacht*. Ich hatte also eine unglaublich schöne und ereignisreiche Zeit mit ihr und war bestens gelaunt. Als ich am Abend vor dem Abflug noch meine letzte Zigarette geraucht hab - in den USA darf ich das nämlich nicht - wurde mir erstmal so richtig bewusst was für ein geiles Leben ich zur Zeit habe. Und dass ich verdammt viel erreicht hab in letzter Zeit. Und dass es schon okay ist, wenn ich in den USA Fehler mach und ein paar Mal auf die Schnauze fliegen werd. Und was für ein Potential das nächste halbe Jahr erst hat... ich sag nur: ABGEHN!
Aber es war trotzdem ein ungewohntes Vorhaben, also überraschte mich folgende Frage aus heiterem Himmel am Flughafen nicht wirklich:
Annika: Bist du aufgeregt?
Ich: Hmm... ja.
Ich: Klar, verdammt aufgeregt!
Annika: Oskar, du schaffst das alles! Schaffst du doch immer.
Ich: Meinst du?
Annika: Ja.
Na dann kann ich ja beruhigt in den Flieger steigen 😀 Ich glaub, sie weiß gar nicht, wie stark ihre Aussage auf mich gewirkt hat, von dem Moment an war ich auf jeden Fall zuversichtlich. Das mag ich an ihr, ob sie es beabsichtigt oder nicht. Mit so jemand an seiner Seite kann man verdammt viel erreichen.
Also verabschiedete ich mich, lies mich abchecken und wurde ins Wartezimmer geleitet. Im Gegensatz zu Berlin hat der Frankfurter Flughafen sehr beeindruckende gläserne Wartesäle, von denen aus man alles beobachten kann. Irgendwann rollte dann mein Flugzeug vor. Für mich ein großer Moment, deswegen hab ich ihn auch auf dem Foto festgehalten. Jetzt gibt es kein zurück mehr:
* das ist echt passiert! fuck the system!
Und zwar auf dem Weg nach Frankfurt, Anika (das zweite n ist freiwillig, also nicht wundern) war so freundlich mich da hin zu fahren, allerdings war das nicht so einfach. Im Chaos der hunderttausend Autos und Abbiegungen, die einen beim Autofahren verwirren, kommt man da schnell auf interessante Fährten. Zum Beispiel auf die Gleise der Straßenbahn, ist voll standard da. Macht da jeder, wäre auch unhöflich dieses unerwartete Geschenk nicht zu nutzen. Und wenn man kein F wie Frankfurt auf dem Nummernschild hat darf man eh alles. Und wenn man KC drauf hat erst recht. Steht doch in der Straßenverkehrsordnung. Sorry nochmal, dass ich das nicht vorher wusste! Kommt nicht wieder vor, diese Wissenslücke :D
Über den Flug selber gibt es nicht so viel zu sagen, es war im wesentlichen wie erwartet. Das Einzige was mich wirklich überrascht war, war wie hoch wir über den Wolken waren. In der Atmosphärenschicht, in die wir vorgedrungen sind, der Tropopause (ca auf 11km Höhe) hatte es laut Bordthermometer bis zu zwischen -50 und -63 Grad. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie sich das anfühlen würde... wahrscheinlich wäre man nach wenigen Minuten bewusstlos und würde sterben.
Da fällt mir ein, die Flugroute war auch ziemlich unerwartet, wir mussten den Ostwinden über dem Atlantik in einem ziemlich großen Bogen ausweichen. Dabei hab ich in drei Himmelsrichtungen neue Rekorde aufgestellt. Der nördlichste Punkt der Reise und gleichzeitig meines bisherigen Lebens, die Färöer Inseln waren mit 62 Grad nördlicher Breite um längen nördlicher als der bisherige Rekordhalter in Schottland. Der Zielflughafen in New York liegt auf 74 Grad westlicher Breite, und außerdem auf 40 Grad nördlicher Breite.*
Ich hör schon meine Geschwister protestieren: "Hä aber du warst doch mit uns in Rom! Das ist dann doch südlicher, FAKE!" Doch, es ist trotzdem ein neuer Rekord, Rom liegt nämlich auf 41 Grad nördlicher Breite. Ich war genauso überrascht wie alle, die das jetzt lesen, aber so siehts aus auf unserem Erdball.
Übrigens, der Rekordhalter was den Osten angeht ist Wien auf 16 Grad östlicher Breite. Wird echt Zeit, dass diese uralte Bestmarke auch mal fällt.
Ausserdem war ich noch nie so schnell unterwegs. Trotz suboptimalen Windverhältnissen schafften wir es auf legendäre 920 km/h. Das dürften auf dem Rückweg nochmal ein paar Zacken mehr werden.
* Nördlicher Breite (nicht südlicher) weil auf der Nordhalbkugel. Der Highscore was den Westen angeht liegt mittlerweile (04.09) bei 77 Grad westlicher Breite, in State College.
Meine Sitznachbarin war eine ca. 16 jährige Amerikanerin und hat sich nonstop durch irgendwelche Filme und Serien gezappt, ohne dabei länger als 10min bei einer einzelnen Sache zu bleiben. Echt seltsam, glaub die hatte nen leichten Dachschaden.
Aber ganz egal wie sie sich verhalten hat, es gab jemand der hatt ein noch größeren Schaden. Nämlich meine Vio Wasserflasche, die ich oben Reise leergetrunken hatte. Ohne mir groß Sorgen zu machen, drehte ich sie zu und legte sie bis zu der Landung unter meinen Sitz. Was ich sehen musste, als ich sie wieder hervorgeholt hab, kann ich mir bis heute nicht wirklich erklären:
Warum ist die so zerdrückt? Ein mechanischen Schaden kann ich ausschliessen, als ich sie nämlich aufmachte war sie ruckzuck in alter Form und Fülle. Die Blondine hinter mir meinte, die Luft hätte sich in der Flasche zusammengezogen. Typisch blonde Aussage, ohne jede Theorie dahinter. Wer kann es mir erklären?
Während der Flug super angenehm und kurzweilig war (Air Berlin ist gut, fliegt mit Air Berlin) wurde es danach ziemlich heavy. Bevor ich nämlich amerikanischen Boden berühren durfte, musste ich durch den Zoll, was krasse drei Stunden in Anspruch nahm. Zum Glück hatte ich wenigstens Gesellschaft, nämlich oben erwähnte Blondine und ihre Freundin. Die beiden waren aus München und sehr angenehm und witzig drauf, selten so viel mit fremden Leuten gelacht. Leider waren unsere Reisepläne komplett unterschiedlich, naja was solls.
Der Satz des Tages war auf jeden Fall die Aufforderung, kein Obst und Gemüse einzuführen, die uns locker von fünf Seiten eingebläut wurde. In Berlin am Flughafen, per Flugzeugdurchsage, als wir gelandet sind und in der Warteschlange per Lautsprecher und Videobotschaft. Als mich der Zollbeamte allen ernstes auch noch fragte, ob ich irgend ein Obst dabei hab, musste ich versehentlich laut auflachen. Die Vorstellung mit einer fetten Melone unterm Arm da hin zu spazieren und mit verblüfftem Gesicht zu sagen "echt verboten??? das wusste ich nicht" zu sagen ist einfach zu amüsant. Glaub das mach ich als Renter mal, wer ist dabei?
Ich könnt ja auf dem Rückweg auch ein paar von denen übern Zoll werfen, schaut mal:
Intressante Früchte essen die da zum Teil in den ärmeren Vierteln. Diese fetten grauen Knollen links heissen übrigens Batatas und sind so eine Art Kartoffelersatz.
Der Abend ging dann auf jeden Fall mit einer Odysee durchs ultra hässliche New Yorker Ubahnnetz weiter, in dem ich ohne Internet und dem Wissen, dass es Expresszüge und etliche Linienteilungen gibt, erstmal ziemlich überfordert war. Scheisse, das ist eine ziemlich große Umstellung, da merkt man erst mal wie abhängig man als Smartphone User von Google Maps ist.
Aber, was Annika sicherlich nicht überrascht hat, irgendwie bin ich nach etlichen Sackgassen und Umwegen irgendwann gegen neun Uhr Ortszeit doch bei meinem Vermieter Ezra angekommen. Die einzigen, die bei meiner Ankunft wirklich erstaunt waren, waren meine Freunde, die amerikanischen Steckdosen:
Die Überraschung steht ihnen sichtlich ins Gesicht geschrieben. So sahen die Indianer bestimmt auch aus, als Christoph Kolumbus ihnen sein Schiff zeigte.
Ich verabschiede mich bis zum nächsten Beitrag, aus New York. Hier noch das Abschiedsfoto aus Bad Kissingen mit Annika, das einzige Selfie dieses Blogs:
Donnerstag, 03.09.2015
Wenn euch ein Marsmensch, der keine Meere, Länder oder kulturellen Unterschieden kennt, fragen würde "Was ist eigentlich die Hauptstadt der Welt?" Was würdet ihr antworten?
Tokio? Moskau? Rio? Rom? Mekka? London?
Für meine Welt, als westlich geprägter Europäer, ist es ab heute klar New York City. Es ist locker die gigantischste, weitläufigste, beeindruckenste, lebendigste und vielschichtigste Stadt die ich je gesehen hab. Ich mein, wie soll man alleine diese filmreife Atmosphäre toppen, die entsteht wenn man Manhattan von der Brooklyn Bridge aus im Gegenlicht sieht.
Allein wie viel man von dieser Stadt schon gehört hat, lässt jede andere nicht-europäische Metropole alt aussehen.
Eine Kostprobe? Times Square! Empire State Building! Central Park! Madison Square Garden! Rockefeller Center!
Ach halt stop, das sind ja blos die Sehenswürdigkeiten die ich nach einem Tag herumlaufen in Manhattan noch nicht gesehen hab. Die sind heute (Mittwoch) fällig, aber erzähl ich doch erstmal von gestern...
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Ich glaub, New York hätte mich nicht halb so heftig erwischt, wenn es, so wie zum Beispiel London, einfach eine Stadt in einer konturlosen, flachen, langweiligen Landschaft wäre. Ich bin nicht zufällig ein Fan von abgegrenzten Gebieten. Inseln, Halbinseln, Bergtäler oder Plateaus. In New York ist jeder Stadtteil räumlich klar getrennt, da gibt es keine Diskussionen.
Manhattan zum Beispiel, müsst ihr euch vorstellen wie ein Schiff. Auf der Landkarte sieht es eher aus wie ein Schiff, dass mit dem Festland verwachsen ist, aber ich denke jeder hat genug Fantasie um da ein Schiff zu erkennen. Wer es mir nicht glaubt, hier ein Foto von der Reling:
Das muss so ungefähr die Stelle sein, wo 2009 ein Flugzeug mit Vogelschlag eine Notwasserung gemacht hat. Der Kapitän hatte es damals geschafft die Maschine ein paar Meter über die George-Washington Brücke zu ziehen um danach auf dem vereisten Hudson River zu landen. Krasser Typ, auf jeden Fall. Auch wenn ichs ein bisschen überzogen find, wie er als Held gefeiert wird. Ich mein, was hätt er denn sonst machen sollen?
Mein Zimmer befindet sich so ziemlich am Ende von Manhattan, dass durch einen Fluss von den kriminell angehauchten Bronx abgetrennt wird. Allerdings erinnert mein Viertel, trotz seinem ehrwürdigen Namen Washington Heights, eher an die Bronx. Ziemlich klischeehaft sogar, die Ubahnstationen bröckeln komplett ausseinander und die Häuserblocks erst recht. Unter 100 Schwarze kommen ungefähr fünf Israelis und ein Weißer. Das mühsame Arbeitsleben der Leute hier spiegelt sich überall wieder... die Leute sind morgens genervt und unfreundlich und hetzen zu ihren Läden bzw Verkaufsständen um sich dort schon um sieben Uhr morgens* an die Theke zu stellen.
Abends, nach Feierabend, ein komplett anderes Bild. Alle sind fröhlich und grinsen einen an und vor den Essenständen sind kilometerlange Schlangen für den dominikanischen Feierabend Snack, so seltsame Teigtaschen mit Gemüse drin. Heut pfeiff ich mir so eine zum Mitnehmen rein!
Ich bin hier in einem kleinen, komplett schwarz - weiß eingerichteten Zimmer untergekommen und werd von zwei sympathischen israelischen Bankarbeitern namens Ezra und Ephraim beherbergt. Gestern Abend wollten sie mit mir ein Bier trinken und irgend so einen koscheren Fleischspiess essen, aber da war ich leider zu platt. Nächstes Mal!
Ziemlich amüsant find ich, wie hier aus jedem zweiten Amischlitten heftigster Gangsta Rap wummert, da kann man das Kopfnicken echt kaum unterdrücken. Hier mal ein Beispiel, was ich gestern aufgeschnappt hab. Natürlich wird hart mit den Reifen gequietscht und ich habe in den letzten zwei Tagen mehr Hupen gehört, als in meiner gesamten Zeit in Bad Kissingen und Freising zusammen. Ich hab trotzdem das Gefühl die Autofahrer sind entspannter drauf als in Deutschland, glaub das Hupen ist hier einfach Standart.
* woher ich das weiß? Da komm ich später dazu.
Also, das war mein erstes Bild von New York. Um mich selber ein bisschen zu überraschen (ja es ist mir tatsächlich gelungen) beschloss ich die 20km Ubahn zur untersten Spitze von Manhattan, der sogenannten Downtown zu nehmen. Ich war von der ersten Sekunde an komplett überwältigt. Das Gefühl, vorne an den Bug zu laufen und die Freiheitsstatue in echt mit eigenen Augen hinter einem perfekt getimten Dampfschiff auftauchen zu sehen ist unbezahlbar.
Gerade wegen den paar Kilometer Meer zwischen mir und ihr sah sie gigantisch aus. Und ihre Symbolik hat mich auch erwischt, ich hab mich selten in meinem Leben so frei gefühlt.
Jaja, ich weiß, wie sollte ich mich auch sonst fühlen wenn ich allein durch ne Großstadt lauf. Lasst mich, es war echt was besonderes 😀 Ich wette, so ähnliche Gedanken hat jeder Europäer, der an der Metrostation South Ferry aussteigt. Wilkommen im Land der Freiheit, wo alle Leute nett Fotos von einem machen:
Ich hab die Entscheidung mir für Amerika keinen Fotoapparat zu kaufen, heute schon bereut. Besonders den Zoom hab ich vermisst... eins der schönsten Aussichten auf NY , nämlich der Blick von der Brooklyn Bridge auf Midtown, konnte auf diese Art nicht ohne Brückenbalken im Bild festgebrannt werden. Ich bin froh dass mein Handy keine Selfies machen kann, von denen hat nämlich eh jeder die Nase voll. Selbst ich von meinen eigenen.
Weiter ging es kreuz und quer durch Downtown, immer auf der Suche nach neuen Wolkenkratzern. Zum Glück hab ich mir einen Stadtplan zugelegt, da musste ich nicht dauernd aufs Handy schauen... zumal ich ausserhalb meiner Wohnung eh kein Internet hab. Aber hätt ich trotzdem mal lieber mehr auf meine Umgebung geachtet, als nächstes folgte nämlich das unschönste Ereigniss des Tages.
Ich lief grad ohne böse Absicht die Wall Street entlang und dachte über große Banken und den Kaptialismus nach, da hörte ich auf einmal jemand herumschreien. "STOP! Hey, you! Immedeately". Zunächst drehte ich mich gar nicht erst um, ich dachte halt, das betrifft mich nicht. Es ging eh alles ziemlich schnell, ich hab dann nurnoch gesehen wie die Leute von mir zurückwichen und von der Seite zwei Polizisten auf uns zu rannten. Ich glaub ich hab noch nie jemand so schnell rennen gesehen. Mein Blitzgedanke in dem Moment: "Scheisse ein Banküberfall oder sowas". Ich wollte ausweichen, aber da war es schon zu spät. Mit voller Wucht wurde ich auf den Boden gedrückt, gegen ein Polizeiauto geschleift und gewaltsam festgehalten. Erst jetzt verstand ich, dass sie hinter mir her waren, aber überhauptnicht wieso. Natürlich machten diese Schaulustigen schadenfreudigen Touristen etliche Fotos, in dem Moment echt beschämend. Eines davon wurde mir dann später zugespielt:
...
...
...
Haha, nein, natürlich nicht. Keine Sorge 😀 Ab dem Wort Wall Street ist alles erfunden, ich kam mit den beiden ins Gespräch, weil ich sie nach der nächsten Toilette gefragt hab. Sehr freundlich die Polizisten in New York! Und sie verstehen Spaß...
Als nächstes, nach einer halben Flasche leckeres Mountain Dew und einem chinesischen Imbiss, nahm ich die Wolkenkratzer mal von der Nähe in den Fokus. Die haben da ganz schön große Häuser, ich frag mich wer zur Hölle da drin alles sein Büro haben will. Oder sind die doch durchgehend bewohnt? Ich kann mir das noch nicht erklären. Ich weiß nur dass das Empire State Building mal ne Zeit lang den Spitznamen Empty State Building hatte. (Worüber ich mich königlich amüsiert hab, wie gehässig) Es hat übrigens eine eigene Postleitzahl, laut Wikipedia. Aber dazu morgen mehr, zurück zu Downtown.
So sieht das von unten aus... sorry für die Blendung.
Generell ging gestern ohne Sonnenbrille nicht viel, so viel wie da nach oben zu sehen war. Und so viel wie das Glas gespiegelt hat. Kaum hab ich sie abgesetzt, wurde es richtig anstrengend, also schnell wieder drauf. Ich kann mir auch momentan überhaupt nicht vorstellen, dass es hier manchmal so krasse Wintereinbrüche gibt. Wahrscheinlich schneit es dann ab der 68. Etage aufwärts, oder wie sieht das dann aus? Hoffentlich krieg ich es auf die Reihe, Sylvester hier her zu fahren.
Was mich mit Abstand am meisten interessiert hat, ist wie es wohl heute da aussieht, wo früher mal die Türme des World Trade Center waren. Na, wer weiß es? Ich seit gestern, aber die Fotos lass ich mal weg. Da müsst ihr selber hin. Nicht sparsam bin ich aber mit den Fotos meines Lieblings Wolkenkratzers, dem World Trade Observatory, mit 541m nebenbei auch der höchste in Manhattan und der vierthöchste auf der Welt.
mit Mountain Dew und Gerippe
im Nachbarturm gespiegelt
von ganz nah, lag ne halbe Stunde da
von innen, auch wie ein Gerippe
Was für eine geniale Geometrie, die Grundfläche von dem Turm ist genauso groß wie die Dachfläche, nur um 45Grad gedreht. Aber das ohne, dass der Turm verdreht ist wie ein kaputtes Tetrapak, sondern nur durch dreieckige Seitenflächen die geschickt angeordnet sind. Deswegen sieht er auch von ganz nah so "unendlich hoch" aus. Respekt!
Danach war ich wieder an der Ostküste von Manhattan, auch Tribeca genannt und hab mich ein wenig auf einem öffentlichen Billiardtisch entspannt. (der aber eh klar kaputt war) Schöner Blick auf die Wolkenkratzer da hinten, das ist übrigens New Jersey. Wette es wäre keinem aufgefallen, wenn ich behauptet hätte das wäre Manhattan selber 😀 Starke Sillouette eben, muss man dem Stadtviertel lassen. Ist übrigens die selbe Stelle, wie bei dem Foto in der Einleitung.
Mein erster Blick aufs berühmte Empire State Building (aus weiter Ferne) folgte dann ein paar Schritte später. Danach fühlte ich mich fast schon nach Bad Kissingen zurückversetzt, als ich ein paar Leuten im Rockefeller Park beim Schach spielen zugeschaut hab. Das ist nämlich die Lieblingsbeschäftigung der Renter da, die können sich ihren ganzen Lebensabend damit beschäftigen. Nur dass hier keine Rentner, sondern kleine Kinder Schach spielten.
Wie meint ihr, die können das gar nicht richtig? Schaut selber, wenn ihr mir nicht glaubt:
Sehenswert war auch der Football Platz mitten in Manhattan, kaum zu glauben, dass die für solche Scherze noch Platz übrig haben. Nicht weit fanden sich auch die einzigen zwei Kirchen dieses Stadtviertels, die natürlich zwischen den riesigen gläsernen Bürotürmen völlig untergehen. Ich glaub die Leute beten hier aber eh eher den Bullen in der Wall Street an.
In den ersten amerikanischen Supermarkt den ich gefunden hab musste ich als Lebensmitteltechnologe natürlich auch sofort reinstürmen, dazu aber ein andermal mehr. Heute gilt die Aufmerksamkeit lediglich der Architektur der Hauptstadt der westlichen Welt!
Ihr fragt euch sicherlich, ob die Wolkenkratzer eigentlich alle friedlich beieinanderleben. Dachte ich bis heute auch, tatsächlich tun das auch fast alle. Nur einer ist anscheinend mal ein Tick zu weit gegangen und hat von den anderen ordentlich eins auf die Fassade bekommen. Jetzt steht er etwas abseits an der Westküste von Manhatten, hoffe das heilt wieder:
Besser geht es dem Woolworth Center, an dieser Stelle liebe Grüße an alle die in Freising schonmal über den Woolworth gelästert haben, was für ein minderwertiger Laden das ist. Fotografiert von dem berühmten New Yorker Broadway aus:
Irgendwann hatte ich genug von Hochhäusern. Ich dachte mir schon von Anfang an, dass es bestimmt auch cool ist das Schiff zu sehen, und nicht nur die ganze Zeit auf dem Schiff herumzulaufen. Also auf in ein anderen Stadtteil... nach Staten Island wäre eine gratis Fähre gefahren, aber das hätte hin und zurück über zwei Stunden gedauert. Das andere Touristenschiff hätte $35 gekostet und hatte eine riesen Schlange voller schmieriger europäischer Touristen, und kam also für mich nicht in Frage
An dieser Stelle ist mir erstmal aufgefallen wie minderwertig sich manche Touristen verhalten. Eine Familie in meiner Nähe hat sich auf Deutsch über den kommenden Tagesverlauf unterhalten. "Ja wir haben doch den New York City Pass für $110 gekauft, da müssen wir unbedingt aufs Schiff und nachher aufs Empire State Building und ins 9/11 Museum, das ist doch alles inklusive." Was für Opfer, die Stellen sich echt freiwillig dreimal am Tag für jeweils mindestens eine dreiviertel Stunde an. Und schieben den Stress des Jahrhunderts um möglichst viel an einem Tag zu schaffen, man hat voll gesehen wie die Frau übelst genervt war. Ich hör die Scheidungspapiere schon rascheln, haha.
Zum Glück konnte mich ein Wasserflaschen Verkäufer beraten, und so kam ich auf die Idee mal die Brooklyn Bridge entlang zu laufen.
Das kann ich nur empfehlen, der Fußgängerweg ist nämlich so eingerichtet, dass man quasi über den Autos läuft, zwischen den beiden Spuren
Ich lief in vollem Tageslicht los und in der Dämmerung zurück... und ich glaub man hätte keinen besseren Blick auf die Skyline von NYC bekommen können. Ich hab vor lauter Aufregung auf dem Rückweg voll vergessen ein Foto zu machen. Das beste vom Hinweg kommt zum Schluss.
Hier erstmal ein Foto von der Brücke auf der Brücke (fand ich ziemlich lustig)
Und auch dieser Teil von Manhattan ist sehenswert, ich habe ihn mal Redhattan getauft:
Ich glaube nicht, dass irgendjemand nur anhand des Bildes erraten könnte, wo es aufgenommen worden ist. Ich finde, das sieht aus wie eine Flagge. Hellblau, Ziegelrot, Dunkelgrün.
Ausserdem hatte man hier eine gute Sicht auf die berühmte Nachbarbrücke, die Not Brooklyn Bridge. Natürlich war ich doof genug auf dem Heimweg zu versuchen, die Zuglinien die im unteren Teil dieser zweistöckigen Brücke verkehren zu erwischen um dabei aus dem Fenster zu schauen. Der Preis dafür waren eine Stunde Umweg, ein riesen Riss in meinem Stadtplan und ein Aufpreis von $2,75. Das lohnt sich definitiv nicht, man hat nämlich kaum was gesehen.
Wenn ich einen Tipp geben müsste, was man in New York unbedingt gemacht haben sollte, wäre es dieser:
Geht abends auf die Brooklyn Bridge!
Hier, das mein ich:
...und jetzt stellt euch das ganze noch ohne Sonne vor und mit lauter kleinen leuchtenden Fenstern! Wilkommen in der Hauptstadt der Welt, gebaut von einem ziemlich cleveren Haufen Säugetiere nach ein paar Tausend Jahren technischen Fortschritts.
Der nächste Beitrag kommt dann aus State College, wo ich heute abend mit dem Bus hinfahre. Bis dann!
PS: Natürlich war sich Guilty but free nicht am lumpen lassen sein, und hat sein Sign mit einem fetten schwarzen Pencil auf die Brooklyn Bridge gepencild:
Freitag, 04.09.2015
Meinen heutigen Blogeintrag über den zweiten Tag in der Midtown von Manhattan widme ich dem erstaunlichen John Davison Rockefeller, dem reichsten Menschen der jemals gelebt hat. Wer gründlich meinen Blog liest und auswendig lernt, also keiner von euch, erinnert sich vielleicht noch daran, dass ich gestern im Rockefeller Park ein Foto aufgenommen hab. Ein weiteres Foto hab ich euch bis heute vorenthalten, das auf dem man den ganzen Park sieht. Und im Hintergrund das Empire State Building, der große Wolkenkratzer in der Mitte:
Hier hat also die Finanzelite von New York immer herumgegammelt. Aber nicht nur den Park hat diese Ausnahmegestalt New York hinterlassen, er hat mit seiner unendlichen Finanzkraft in der Hauptstadt der Welt noch etwas anderes verändert. Dazu aber später mehr, erstmal möchte ich ein bischen was zu einer unschönen Seite von New York sagen.
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Ich muss leider berichten, dass ich von der Midtown von Manhattan etwas enttäuscht wurde. Wie ich im letzten Post schon angekündigt hatte, standen heute noch eine Hand voll Sehenswürdigkeiten auf dem Plan. Da waren unter anderem der Madison Square Garden, eine fette Arena zwischen all den Wolkenkratzern oder das Empire State Building. Auf diese beiden Attraktionen verzichtete ich dann aber. Da war ich dann schon zu genervt. Aber wie konnte es so weit kommen?
Es fing ja alles noch recht gut an, nachdem ich mit Ezra gefrühstückt hatte (der gerade eine neue Arbeit im Finanzsektor sucht), und mich mit ihm für meinen Rückflug im Februar verabredet hatte, hatte ich denkbar gute Laune. Voller Vorfreude stellte ich mir das Getümmel am Times Square vor, und legte meine U-Bahn Route so, dass ich direkt da aussteigen konnte.
Aber nichts hat mich auf die Abzocke vorbereitet, die da getrieben wird. Hilfe, war das nervig. Selbst ein Orkan der Stufe 12 hätte meine Dollarnoten nicht so sehr in Gefahr gebracht.
Kaum am Tageslicht, wurd ich instant angelabert ob ich bei einer Hop on Hop off Bustour mitmachen wollte. Ich hatte da überhaupt kein Bock drauf, aber wollte naiv wie ich bin mal wissen wieviel es kostet, also hörte ich kurz zu. Hätte ich gewusst wie es dann weitergeht, hätte ich gleich den Abflug gemacht. Nachdem ich gesagt hab, dass ich gern weiterlaufen würde weil mir des viel zu teuer ist, versuchte der mir allen Ernstes vorzurechnen wie billig das im Vergleich zu meinem Flugticket ist. Sagmal, für wie dumm hält der mich eigentlich. Das eine hat null mit dem anderen zu tun und das Geld für den Flug ist eh weg. Mit so Argumenten kriegt man höchstens die Sorte Plastiktouristen herum, die ich mir schon im letzten Blogeintrag zum Feind erklärt hab.
Aber das war noch nicht alles, ohne Spaß, sowas aufdringliches hab ich noch nie erlebt. Der Typ ist mir ernsthaft hinterhergelaufen und hat mir Flyer in die Tasche gesteckt, was für ein Knecht! So nicht! Boah hab ich ihn übel angeschnauzt, dass er sich verdrücken soll. Aber war schon gerechtfertigt. Kaum hatte ich mich erholt kam der nächste Affe angelaufen, von der selben Busgesellschaft. Wenigstens hat der mein unmissverständliches "Not interested" klar verstanden, aber so ging es in einer Tour weiter
Der Times Square selber war die pure Reizüberflutung, überall Blinken, Flimmern, Menschen. Wer sich hier einmal langsam um 360 Grad dreht hat durch die ganzen Bildschirme vermutlich insgesamt einen Kinofilm zu Gesicht bekommen. Die dadurch entstandene Unruhe war für mich kaum auszuhalten und die frisch gebackene Paranoia vor Bustourenverkäufern und Taschendieben machte den Aufenthalt noch unerträglicher. Pfui, schnell weiter. Auf das Foto für die Werbekampange #loveison musste ich mich aber schon noch drängen 😀
Anstatt wie geplant zum MSG zu laufen, flüchtete ich in die entgegengesetzte Richtung durch die immer höher werdenden Wolkenkratzer in Richtung Central Park. Ich muss sagen dass die Gebäude in der Midtown was Höhe und Anzahl angeht sogar noch die Downtown überbieten, allerdings ist die Atmosphäre um einiges hektischer. Das liegt vorallem an dem hohen Verkehrsaufkommen auf den vertikalen Boulevards, die anscheinend die ganzen Angestellten in den Wolkenkratzern zur Arbeit bringen. Selbst am Times Square fahren noch Autos rum, das wusste ich vorher nicht.
Mein Rückzug wurde allerdings noch von einem Gebäudekomplex unterbrochen, der sich meinen Preis als "bester Wolkenkratzer der Midtown" eingestrichen hat. Wie es der Titel des Eintrags schon vermuten lässt, ist hier die Rede vom 1933 gebauten Rockefeller Center. Zum ersten Mal gehört von diesem fantastischen Wolkenkratzer hab ich in meinem Trumpf Kartenspiel "Gebäude dieser Welt", wo das R.C ein absoluter Allrounder war. In allen Kategorien (Höhe, Länge, Alter, Kosten und noch irgendwas) konnte es nur von wenigen anderen Karten überboten werden, und war somit immer in meinem Kartendeck wilkommen. Übrigens war das Empire State Building als zweites New Yorker Gebäude auch als Karte im Deck... wenn mich nicht alles täuscht außerdem der JFK Airport.
Ich war also dem R.C schon positiv eingestellt, bevor ich es live gesehen hab. Jetzt bin ich geradezu ein Fan. Und wie es sich für einen guten Fan gehört, hab ich ein paar Schnappschüsse von meinem Idol gemacht. Für euch natürlich nur das beste:
Man muss allerdings dazusagen, dass der Doppelturm auf dem Foto nur ein kleiner Teil des Centers ist, insgesamt sind es laut www.rockefellercenter.com 19 Gebäude. Das beeindruckenste an dem Bau ist meiner Meinung aber, dass es tatsächlich aus der Schaffenskraft eines einzelnen Mannes finanziert wurde.
Gebt euch das mal! Dieser John D. Rockefeller war so reich, dass er nur aus den Erträgen seiner unternehmerischen Tätigkeiten in New York 19 Gebäude aus dem Boden schiessen lassen konnte. Darunter eins, dass 259 Meter hoch ist. Mich würde mal interessieren ob sein Vermögen in $1 Notes angehäuft auch 259 Meter hoch wäre... ich vermute schon. Dazu muss man sagen, dass er ausserdem noch die Chicago University gründete und etliche andere Projekte unterstützte. Wie kann man also so verdammt viel Geld verdienen?
Ganz einfach, in dem man zwei Gesichter hat. Einerseits war er unumstritten ein guter Kerl. Mal abgesehen davon, dass er ein sympatischer Familienvater gewesen sein muss, also laut diversen Internetartikeln, hat er wahrlich Unmengen in Wissenschaft und Forschung investiert. So etwas lob ich mir, da sind die Gelder nämlich immer knapp. Klar, wer so reich ist kann es sich erlauben, spendabel zu sein, aber trotzdem ist das nicht selbstverständlich. Ich mein, man könnte ja auch so ein Bastard sein wie Carlos Slim Helu, der derzeit drittreichste Mensch der Welt, der sein Geld damit verdient als Monopolist die Mobilfunkpreise in Mexiko immer weiter zu erhöhen nur damit er eines Tages der reichste Mensch der Welt ist.
Wobei halt, das fällt schon wieder in die zweite Kategorie, nämlich sein Geschäftsmodell. Und da war Rockefeller und seine Firma Standard Oil Company zu seiner Zeit (um 1900 rum) nämlich um einiges umstrittener. Wobei ich sein Verhalten erstmal nicht verurteilen will. Alles was er sich anfangs zu Schulden hat kommen lassen, ist dass er die damaligen Eisenbahngesellschaften zu Rabatten bei der Beförderung seines Erdöls überredete. Das war allerdings so ein krasser Marktvorteil, dass er damit sämtliche anderen Ölgesellschaften alt aussehen liess. Von meiner Seite her gibt das höchstens einen Glückwunsch für diesen genialen Schachzug. Brenzlig wurde es erst, als er deswegen verklagt wurde, und (um eine Zerschlagung seines Unternehmens zu umgehen) den sogenannten Standard Oil Trust, ein Geflecht aus 40 Unternehmen in der Ölbranche, gründete. Damit hatte er das Ölmonopol und konnte sich endlos Kohle anhäufen. Ich finds witzig, dass anscheinend um 1900 rum mal jemand zu seinem Nachbarn gesagt hat er würde mit Methoden wie Rockefeller arbeiten, und daraufhin wegen Beleidigung verklagt wurde 😀😀
Ähnlich wie Bill Gates an dem Computer Boom mitverdiente, verdankte Rockefeller seinen Reichtum im Wesentlichen dem damaligen Auto Boom und konnte so in unglaubliche Reichtumssphären aufsteigen. Im Höhepunkt seines Lebens betrug sein Vermögen laut Forbes zwischen 200 und 300 Milliarden Dollar. Rechnet man mit 200 Milliarden Dollar und einer Dollar Breite von 0,2 mm aus (habs recherchiert) kommt man auf eine Höhe von 40.000 Kilometer. Daraus könnte man 154.500 mal den höchsten Turm des Rockefeller Center Stapeln. Das gibt bei einer Dollar Fläche von 0,01 m² zusammengeschoben ein Rockefeller Turm mit der Grundfläche von 1545 m². Heftiges Vermögen!
Wohin das alles verschwunden ist wissen wir jetzt aber auch, der Shillouette von New York hat das richtig gut getan. Sein Sohn war anscheinend noch spendabler als sein Vater (kein Wunder, er hat ja für das Geld auch nicht gearbeitet) und unterstützte eine endlose Liste an Projekten. Sein Unternehmen musste irgendwann wegen Verstoss gegen das Monopolgesetz aufgelöst werden, aber es lebt heute noch in namenhaften Firmen wie Exxon oder Esso weiter.
So, das hat Spaß gemacht, jetzt aber weiter mit meinem Bericht.
Danach ging es zur Entspannung in den Central Park. Und ja, der Central Park ist eine Sehenswürdigkeit in New York. Allerdings besteht die Sehenswürdigkeit bei ihm hauptsächlich darin, dass man so gut aus ihm raus sehen kann. Es ist halt einfach mal ein streng rechteckiger Park inmitten eines Dschungels aus Hochhäusern. Wenn das mal nicht konsequent ist 😛
Hier ein paar Impressionen, ich hab allerdings höchstens 5% des Parks gesehen, und das obwohl ich locker ne Stunde drin war. Die meiste Zeit hab ich halt rumgelegen.
Der Wolkenkratzer links oben heisst übrigens 432 Park Avenue (voll der seltsame Name) und wurde erst dieses Jahr fertiggestellt. Er sieht aus wie aus Lego gebaut und ist tatsächlich das 14. höchste Gebäude der Welt und das zweithöchste Manhattans.
Tatsächlich ist damit aber das Limit noch lange nicht erreicht, es wird gerade fleissig an weiteren Wolkenkratzern gebaut, die sogar noch größer werden sollen. Merkt euch mal den Namen Nordstorm Tower, eines Tages wird das wahrscheinlich eine weit bekannte Sehenswürdigkeit sein und sogar das One World Trade Center übertrumpfen...
Danach stand der Abschied aus New York an, und ich muss nochmal klarstellen, dass diese Stadt mich absolut für sich gewonnen hat. Ich könnte mir gut vorstellen hier ein paar Jahre zu leben.
Auf zur nächsten Etappe ging es mit diesem Reisebus aus Chinatown heraus direkt nach State College. So wie er aussieht könnte man eher meinen, er fährt direkt nach Style College:
Also meine Freunde, freut euch auf den nächsten Eintrag. Das geht hier in dieser Frequenz übrigens nicht mehr lange weiter, aber am Montag hab ich nochmal Zeit für einen Eintrag 🙂
Übrigens hab ich auf der Karte diesmal den Central Park verlinkt, das letzte Mal war es meine Wohnung in den Washington Heights.
Sonntag, 06.09.2015
Mein erstes Wochenende in State College hab ich jetzt also hinter mir... echt unfassbar, es sind schon vier Tage vergangen. Donnerstag abend bin ich aufgeschlagen, heute ist Montag. Bank Holiday, ein Feiertag. Leider...ich bin schon lange reif für meinen ersten Arbeitstag!
State College ist so ziemlich der krasseste Kontrast zu New York den man sich vorstellen kann. Ich find nicht eine Gemeinsamkeit. Klar, dass es einen Unterschied gibt war zu erwarten. Aber, dass er so allumfassend ist habe ich nicht erwartet.
Ich hab im letzten Beitrag gesagt, dass ich New York liebe. Heisst das jetzt, dass ich State College hasse? Die Antwort steckt zwischen den Zeilen meines heutigen Blogposts. Außerdem muss ich unbedingt die Leute vorstellen, mit denen ich so herum hänge. Wobei das Wort "Leute" etwas irreführend ist, eigentlich ist es bisher blos einer...
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Aber fangen wir mal ganz am Anfang an, auf der Busfahrt nach State College hatte ich nämlich schon mein ersten dicken Überraschungs Moment. Ich hatte mich schon den ganzen Tag auf die Fahrt gefreut, war es doch meine erste Gelegenheit Leute, die in State College wohnen, kennen zu lernen. Und ich hatte echt keine Lust das ganze Wochenende in meinem Zimmer herum zu sitzen. Zum Glück saß hinter mir ein ziemlich entspanntes Rentner Paar die mich endlich über die sich wiedersprechenden Einwohnerzahlen aufklärten. Ich hab mich ja bisher immer gewundert, dass in State College 40.000 Leute leben und 45.000 Studenten auf den Campus da gehen. (vgl zweiten Blogeintrag) Tatsache ist aber, dass Studenten hier nicht zu den Einwohnern zählen. Somit gibt es insgesamt 85.000 Leute hier, von denen 45.000 Studenten sind. So macht das schon eher Sinn. Aber das war nicht die Überraschung, die ich angekündigt hab.
Schräg gegenüber von mir saß nämlich noch ein Mädel in Reichweite. Sie hatte schon beim Einsteigen einen Knopf im Ohr und schaute gelangweilt abwechselnd aus dem Fenster und auf ihr Smartphone. Das Problem war, dass sie fast schon verboten gut aussah. Mein erster Gedanke war: "So eine wird bestimmt jeden Tag von irgendwelchen Affen angegraben und die reagiert bestimmt heftig desinteressiert und abweisend wenn sie der Typ von nebenan (also ich) in gebrochenem Englisch anspricht"
In der nächsten Sekunde fiel mir auf, wie arm so ein Gedanke ist. Was ist eigentlich los mit mir, das ist doch auch nur ein normaler Mensch und warum sollte sie sich nicht über ein bisschen Smalltalk und Abwechslung freuen. Mit so einer Einstellung komm ich hier in Amerika nicht weit. Verärgert über meine tief verwurzelten Doppelstandards drehte ich mich um und sagte den ersten Gedanken der mir in den Kopf kam: "Heyy... ..."
Weiter kam ich nicht, die Gute hatte nämlich mittlerweile die Augen zu gemacht und war eingeschlafen. Na toll, das hab ich von meinem herumzögern, wenn ich so ein Schisser bin geschieht mir das ganz Recht. Wie es aber auf so langen Busfahrten schon zu erwarten ist, gab uns das Schicksal eine zweite Chance. Irgendwann legte der Busfahrer eine Tankpause ein und wir stolperten alle aus dem Reisebus. Und natürlich, Miss Knopfhörer (wie ich sie innerlich taufte), kam auch nach einer Weile herausgekrabbelt. Jetzt aber:
Oskar: Hey
Ms Knopfhörer: *schaut mich verblüfft an und macht die Ohrhörer raus*
Oskar: Eh, did you sleep well?
Ms Knopfhörer: Joa geht scho, war ein bissl kalt. *grinst frech*
Oskar: Waaaaaaas? Jetzt komm ich gar nimmer klar. Was zur Hölle? Und woher wusstest du...?
Ms Knopfhörer: Haha, ich hab vorhin dein Gespräch mit den beiden hinter dir belauscht.
Oskar: So so, bist ne ziemlich unauffällige Stalkerin!
Ms Knopfhörer: Hm ja is mein Talent
Oskar: Ohne Spaß ich wurde noch nie so krass überrascht. Wie cool, wo kommst du her?
Ms Knopfhörer: Auch aus München
Oskar: Waaaaaaaaaaaas? Jetzt sag noch du studierst an der Hochschule dann fall ich um.
Ms Knopfhörer: Haha ne, komm aus Unterhaching.
Hahaha wenn ich an die Szene zurückdenk muss ich selbst jetzt grinsen. Ich mein, wie verdammt unwahrscheinlich ist das? Sie war übrigens - wie scheibar fast alle Mädchen die arrogant aussehen - überhaupt nicht arrogant sondern echt nett und neugierig. Aber leider stieg sie garnicht in State College aus, sondern eine Stadt davor, weil da Verwandte von ihr leben. Das wars dann wohl mit meiner Hoffnung, hin und wieder ein paar Brocken Deutsch zu reden... aber was solls, ich hätt es mir auf die Art auch viel zu einfach gemacht. Ich versuchte den Rest der Fahrt zu schlafen, ohne Erfolg. Freundlicherweise fuhr das Rentnerpaar mich dann noch von der Bushaltestelle zu meinem Haus, echt nett von ihnen! Ich schäm mich, dass ich mich nicht ordentlich bei ihnen bedankt hab, nur ein genuscheltes "Thank you".
In den zehn Minuten zwischen Haustür und meinem Bett lernte ich noch meine Vermieterin Robin und meinen Mitbewohner Amir kennen, die sich ein bisschen mit mir unterhielten. Mit Amir sollte ich den kompletten nächsten Tag verbringen. Es handelt sich um diesen iranischen Doktoranden:
Er ist circa 30 Jahre alt und in seiner Heimat arbeitet er an seinem Doktortitel. Hier macht er aber ein Auslandsjahr am Lehrstuhl für Education. Keine Ahnung, was er da genau macht, ich frag ihn mal bei Gelegenheit. Auf jeden Fall ist er aus einer ähnlichen Motivation wie ich hier her gekommen: Amerika kennenlernen. Nachdem wir einmal über den Campus gelaufen sind (von dem ich bei Gelegenheit noch mehr berichten werde) gingen wir zusammen auf den Bauernmarkt von State College. Hier kam es beinahe zu einer Verwechslung, man beachte den kleinen Unterschied:
Amir Amish A milk
Also passt auf dass ihr im folgenden diese drei Begriffe nicht durcheinander werft, Freunde. Sehr zu meiner Freude gab es nämlich bei den Amish Farmern a milk zu kaufen, die mir Amir bezahlte. Das besondere an dieser Milch war, dass sie komplett unbehandelt war. So etwas hatte ich bisher erst ein einziges Mal probiert, auf einer schweizer Alm im Sommerurlaub mit meinen Eltern in Graubünden. Ich werd mir nächste Woche wieder eine holen, die war nämlich sehr erfrischend und hatte einen einzigartigen Geschmack.
Negativ aufgefallen sind mir allerdings die Preise, Obst und Gemüse sind in Amerika echt kaum zu bezahlen. Das liegt vermutlich daran, dass sie hier weniger angebaut werden als da, wo ich herkomme. Auf jeden Fall machen genau solche Unterschiede den Vorsatz sich hier nicht komplett ungesund zu ernähren zu einer ziemlich schweren Aufgabe. Das einzige was noch unverschämter als die Gemüsepreise sind, sind die Summen die man zahlen muss um überhaupt zum Gemüse hin zu kommen. Dazu aber im nächsten Beitrag mehr...
Es war echt süß, wie sich Amir bemüht hat mir die freundliche Einstellung der Amerikaner zu demonstrieren, in dem er mit jedem, vom Farmer bis zum Busverkäufer, versuchte Smalltalk zu machen 😀 Er selber ist auch ein ziemlich gesprächiger dude, mit dem man auf jeden Fall ne gute Zeit haben kann. Allerdings wurde ihm auf dem Rückweg seine Freude am Smalltalk zum Verhängnis... die Busse in State College haben vorne an der Schnauze eine Halterung um zwei bis drei Fahrräder dran fest zu machen, man kann sich das so ähnlich vorstellen wie bei den Skibussen in den Alpen mit den Skihaltern. Amir machte also sein Fahrrad vorne fest, und ging mit mir in den Bus. Was dann passierte ist leicht vorherzusehen. Wir hatten mit den frisch bei den Amish Leuten gekauften Brezen unseren Spaß im Bus, und ich erzählte gerade von meinem ehemaligen Job als Brezenverkäufer auf dem Oktoberfest. Natürlich liess sich Amir nicht lumpen und wollte, dass ich meine Fähigkeiten demonstriere und meine Brezel irgendjemand im Bus verkaufe. So ein Blödsinn, ich hatte da nicht so Lust drauf. Aber ein gutes Foto ist dabei heraus gesprungen:
Ich musste die ziemlich klobig geformte Brezel dann doch selber essen, und ich rechnete nach dem lapprigen Toast, den ich zum Frückstück verdrückt hatte, mit dem schlimmsten. Aber sehr zu meiner Befriedigung schmeckte sie wirklich wie frisch auf dem Oktoberfest hergestellt. Respekt an den deutschen unter den Amish, der die nach Großvaters Rezept nachgebacken hat!
Wie auch immer, unsere Haltestelle nahte ziemlich plötzlich und wir mussten uns beim aussteigen etwas beeilen. Kaum war uns der Bus drei vier Meter davon gefahren, fing Amir an wie ein irrer dem Bus hinterherzurennen und zu winken. Wie ich kurz darauf vorgejammert bekam, winkte er nicht nur dem Bus sondern vorallem seinem Fahrrad hinterher 😀😀 hehe dumm gelaufen.
Später fuhr uns Robins Ehemann Mark noch zum US-Riesensupermarkt Walmart, der in seiner Größe durchaus der Wal unter den Supermärkten ist.
Ich hab mal nachgeschaut, Wal heisst auf amerikanisch whale, das heißt die Amis haben wahrscheinlich gar nicht so die Assoziationen wie ich.* Echt schade, trifft nämlich voll ins Schwarze. Auf jeden Fall wurde ich dort zum ersten Mal Zeuge einer amerikanischen Verhaftung. Direkt vor meinen Augen wurde irgend ein armes Schwein, vermutlich ein Ladendieb oder schlimmeres, von zwei Polizisten mit der Pistole bedroht und in Ketten gelegt. Krass fand ich vorallem, dass bis auf die umstehenden Leute kaum jemand davon Notiz genommen hat. Ich glaub ich war der einzige, der sich noch hinter der Polizei hergeschlichen hat um zu sehen was als nächstes passiert. (er wurde in einen Polizeiwagen gestopft und abtransportiert) Man könnte echt meinen sowas passiert hier jede Woche, ich hab auf jeden Fall noch nie zuvor irgendwo eine Verhaftung beobachtet.
*Das erinnert mich an einen der beliebtesten Animationsfilme meiner Jugend, der sich um ein grünes Ungetüm namens "Shrek" drehte, das auf dem Kinoplakat damals auch ziemlich shreklich aussah und dem kleinen Oskar vermutlich einen Shrek eingejagt hätte, wenn er nicht damals schon Eier aus Stahl gehabt hätte. Lustig ist, dass die Macher dieses Filmes von den ganzen deutschen Wortspielen vermutlich nicht die geringste Ahnung hatten.
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In den folgenden Tagen war ich vorallem das Viertel erkunden und einkaufen. Ertragreicher als mein Besuch beim 20 Minuten entfernten Walmart und dem nebenan liegenden Elektrogroßhändler war nur der Keller meiner Vermieterin.
Hier fand ich neben einem Bürostuhl und Kleiderbügeln unter anderem Gewichte fürs Fitnesstraining, eine Hantelbank, ein Schultertrainer und Pushup Hilfen. Scheinbar hat die seit Jahren keiner mehr benutzt, ich frag mich eh wer von meinen Mitbewohnern die jemals in der Hand hatte. Amir sicher nicht, und Robins Ehemann Mark seiner Form nach auch nicht. Mein Zimmernachbar Ryan, ein Einwanderer aus der dominikanischen Republik, ist erst letzte Woche angekommen, der scheidet auch aus. Und Robins zwei wuschelhaarige Kinder sind viel zu jung für so professionelle Geräte. Mysteriös. Auf jeden Fall bin ich jetzt bereit, an meiner Form zu arbeiten*
Sehr in meinem Gedächtnis hängen geblieben sind meine beiden Erkundungstouren vorgestern und gestern. Es waren keine großen Abenteuer, aber trotzdem denkwürdige Ausflüge.
Samstag
Meine Erkundungstour Samstag führte nach Osten ins Einkaufszentrum an der North Atherton Street, wo unter anderem mein Fernbus angekommen ist. Das Ziel war dabei nichts neues, nämlich der Walmart. Neu war nur der Weg, den ich ja das letzte Mal mit dem Auto gefahren bin.
Ich hab hierfür länger gebraucht als erwartet, wieso das so kam erkläre ich beim Sonntagsausflug. Interessant waren eher die Geschäfte, die sich um den Walmart wie Unkraut um eine Gemüsestaude ansiedelten. Es waren alles Ladenketten, sei es für Elektrogeräte, Möbel oder Bier. Es ist übrigens nicht möglich für unter 21 jährige Bier zu kaufen, ich habs gleich ausprobiert. Die kontrollieren fast jeden und ich musste meinen Ausweis zeigen. Zum Glück hab ich den "daheim vergessen".
Als ich vor meiner Einkaufstour mir eine Erfrischung holen wollte, lernte ich ganz unverhofft Raji kennen. Ich wollte mir gerade in einer Tankstelle eine amerikanische Erfindung namens Monster-Coffee holen (eine Mischung aus Kaffee und Energydrink), und las gerade die Inhaltsstoffe durch, da wurde ich von einem Typen in der Arbeitskleidung der Tankstelle unterbrochen. Auffällig war der rote Punkt auf seiner Stirn, ein Bindi. Vermutlich war er also Hinduist, also wahrscheinlich auch Inder.
Raji: Hey, how are you doing
Oskar: How are you doing? I'm fine
Raji: All right
Oskar: What is this? (der Monster Coffee)
Raji: It tastes like shit, don't buy it. Look, this is good. Its Starbucks Ice Cofee, have a try.
Oskar: Thank you.
Raji: Where do you come from?
Oskar: Germany
Raji: Aaah, like Hitler. I like Hitler. Do you like him?
Haha da werden mal wieder die Klischees ausgepackt. Ich erklärte ihm, dass Hitler in Deutschland nicht mehr so beliebt ist wie früher mal, was ihn aufrichtig erstaunte. Erst jetzt fiel mir sein verziertes Hakenkreuz Tatoo auf dem Handrücken auf, das er mir stolz präsentierte. Als ich ihm erzählte dass sein Tatoo (in Indien ist es ein Zeichen für Glück und heißt Swastika) in Deutschland und Österreich mittlerweile verboten ist, wollte er mir auch absolut nicht glauben. Raji arbeitet auf jeden Fall an der Tankstelle, und ich glaub ich werd ihn heute nochmal besuchen. Endlich mal jemand in meinem Alter, mit dem ich mich gut versteh.
Ich find es stark, dass er mich von dem teureren Monster Coffee auf den billigeren Eiskaffee gelenkt hat, einfach nur weil der zweite besser schmeckt. Sowas ehrliches erlebt man selten, das lob ich mir.
Als nächstes kam ich an einem braunen Gebäude gegenüber von der Tankstelle vorbei...
Kissinger Bigatel & Brower also. Keine Ahung, was da drin passiert, nur der Name hat mich zum Stutzen gebracht. Schöne Grüße an alle meine Leute in Bad Kissingen an dieser Stelle 😀
Ich würd es nicht mal ausschliessen, dass dieser Name über ein paar Umwege etwas mit Bad Kissingen zu tun hat... so ähnlich wie der Name Rockefeller (der Typ aus dem letzten Beitrag) mit dem Dorf Rockefeld in NRW, dieser Verbindung gilt mittlerweile als gesichert. Ich hab auf jeden Fall an meine Heimat denken müssen.
Sonntag
Mein Ausflug gestern nachmittag ging in Richtung Stadtzentrum, ohne auch nur ansatzweise in dessen Nähe zu gelangen. Man muss allerdings dazusagen, dass ich gejoggt bin und somit meine Zeit begrenzt war.
Wer mich gut kennt, weiß das Orientierung eher zu meinen Stärken gehört. Man kann mich nach einem Jahr in der Schweinfurter Innenstadt absetzen, und ich find trotzdem den Weg zum Baggersee, den ich zuvor nur ein einziges Mal gefahren bin. Und man kann mich in New York mit einem Stadtplan zwischen die ganzen Wolkenkratzer stellen und ich finde jede Sehenswürdigkeit auf Anhieb. Aber was mich hier erwartet hat hat meine Grenzen gesprengt.
Ich hab in meinem ganzen Leben noch nie so ein verwirrendes Stadtviertel gesehen.
Das Problem war nichtmal, das jede Straße exakt gleich aussah, nämlich so, plus minus ein paar Autos:
Und das Problem war auch nicht das es keinerlei Landmarks oder sonstige Sehenswürdigkeiten gibt, an denen man sich orientieren kann, sondern nur ein unregelmäßger bewaldeter Hügel voller Wohnhäuser
Das Hauptproblem war der völlig unsinnige Straßenverlauf! Das Viertel hier wurde offentsichtlich auf dem Reißbrett völlig unabhängig von Gelände und Natur entworfen. Das führt dazu, dass man genau an den Stellen wo man einen Durchgang erwartet sich kein Durchgang befindet, sondern nur ein entgültig abgezäuntes amerikanisches Grundstück mit Hund. Das scheint den Amerikanern so selbstverständlich, dass sie ihre Sackgassen nichtmal kennzeichnen.
Und was für Sackgassen... ich mein, es gibt da wo ich herkomme auch Sackgassen, aber als Fußgänger nimmt man die kaum ernst. Vorallem nicht, wenn sie sich, wie das Exemplar auf dem Foto oben, in Richtung Stadtzentrum ausstrecken. Man kommt ja eh irgendwie hinten zum Fußweg wieder raus. Hier gibt es aber keine Fußwege. Nochmal: Es gibt sie einfach nicht. Nirgendwo. Alles was hier für Fußgänger gedacht ist, sind die Betonstreifen am Straßenrand. Glücklicherweise gibt es daneben immer einen sauber gemähten Rasenstreifen, ansonsten hätte man hier nach drei Mal joggen schon Knieschmerzen. Das es keine Fußwege gibt erklärt aber auch warum das Stadtviertel hier leerer ist, als eine Bad Kissinger U16 Party. Es gibt nichtmal Leute die du nach dem Weg fragen könntest. Hilfe, was für ein Mist. Zum Glück hatte ich einen abfotografierten Stadtplan:
Allerdings bin ich irgendwann aus Versehen aus dem Stadtplan herausgejoggt, es hat mich 15min gekostet jemand zu finden der mir die Richtung zeigen konnte, in die ich musste. Heftig! Wenigstens kam ich bei diesem Irrlauf an dem Höhepunkt meines Sonntagsausflugs vorbei, an der Oak Leaf Drive (ausserhalb der Karte). Die Anwohner dort haben sich nämlich dem immer gleichen Straßenbild mutig wiedersetzt und somit meinen Respekt verdient, endlich mal etwas Abwechslung.
Dieses Straßenschild ist in Farbe und Form in ganz State College einzigartig. Nochmal meinen Respekt!
So weit meine ersten Eindrücke von State College, ich hoffe ihr fandet meine Berichte aus dem amerikanischen Vorstadtleben interessant. Amir bekam sein Fahrrad übrigens wieder, wir lauerten den Bus einfach auf der Rückfahrt auf. Der einzige, der das außer mir richtig witzig fand, war der Busfahrer, der sich vor lauter Lachen seinen Bauch halten musste. 😀
Der nächste Beitrag wird etwas besonderes, also macht euch auf ein Special gefasst... vielleicht schaff ich das heute Abend noch fertig. Der übernächste berichtet dann von meinen ersten Arbeitstagen und kommt womöglich erst in einer Woche. Ich hör mir jetzt erstmal über meine frisch gekauften Boxen ein bisschen amerikanischen Hiphop an.
Bis bald!
Samstag, 12.09.2015
Ich vermute der Beitrag von heute wird der meistgelesenste meines Blogs. Im Folgenden werd ich mich nämlich auf die wesentlichen Unterschiede zwischen Amerika und Europa konzentrieren.
Und das nicht nur einfach als Liste, sondern als kleinen Wettkampf zwischen den Kontinenten.
Ich werde zu jedem Unterschied meine Meinung zum Besten geben und anschliessend entweder Amerika oder Europa einen Punkt geben.
vs
Bei Unterschieden die ich für besonders wichtig halte, behalte ich es mir vor den Punkt mehrfach zu gewichten. Der endgültige Punktestand befindet sich am Ende des Beitrags.
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Freilich geht alles hier aus meiner bisherigen Lebenserfahrung hervor, also nicht wundern, wenn ich bei manchen Sachen knallhart Deutschland Pennsylvania gegenüberstelle und trotzdem von Europa gegen Amerika rede.
1.) Die Trucks
Die Suchen nach einem normal geformten LKW ohne Schnauze ist hier genauso mühselig, wie die Suche nach einem amerikanischen Truck in Deutschland. Es gibt sie einfach nicht... eigentlich kein Wunder, das ist genau wie mit Steckdosen. Hier ist halt alles auf Trucks ausgelegt, zum Glück. Ich finde nämlich, die Eleganz eines Amitrucks wird nur von einem Verkehrsteilnehmer noch übertroffen: Den Bussen mit Schnauze. Ein Foto von so einem findet sich in meinen letzten beiden Beiträgen, so begeistert war ich. Enjoy! Allerdings gibt es auch zahlreiche Busse ohne Schnauze, hier setzt sich das europäische Design anscheinend leider doch langsam durch. 1 Punkt für Amerika
2.) Das Brot
Ich weiß noch als wäre es gestern gewesen, als ich das erste Mal in einer großen amerikanischen Supermarktkette in der Gebäckabteilung stand und mir dachte: "Okay Oskar, halt die Augen offen, es kann ja nicht nur Toastbrot geben." Tatsächlich hat sich das Suchen auch gelohnt, wenn man nämmlich gründlich hinter alle Berge aus Weißbrot schaut findet man tatsächlich... Pumpernickel. Ihr wisst schon, dieses schwarze bayrische harte Roggenbrot, auf das man am besten Frischkäse oder Obazda schmiert. Unglaublich, dass die sowas haben, oder? Wehe wenn das jetzt ein Marketing gag ist, hab ich mir noch gedacht. Dann hab ich es angefasst, tja. Braun gefärbtes Toastbrot würde dem noch schmeicheln, es war eher braun gefärbter Spüllappen. Meine schlimmsten Befürchtungen wurden übertroffen, es gibt hier nichts, was den Namen "Brot" verdient hätte. Das beste Brot hier schmeckt immer noch nicht so gut, wie das schlechteste was du in einer deutschen Bäckerei kaufen kannst. 1 Punkt für Europa
3.) Die Duschen
Ich muss aufpassen, dass ich diesen Punkt nicht emotional einfach an Amerika vergeb. Meine erste Dusche hier war nämlich soo eine Wohltat. Nach einem übertrieben heißen Reisetag, es hatte draussen 91°F (also 33°C, hierfür kriegt Amerika gleich noch seine Quittung) konnte ich mich abends endlich bei meinem New Yorker Vermieter in der Dusche abkühlen. Damals wusste ich noch nicht, dass ich unter einer typisch amerikanischen Dusche steh, heute bin ich da schlauer. Anders als in Europa, wo man in der Regel zwei Wasserhähne hat oder einen den man in vier Richtungen bewegen kann, hat man hier so eine Art metallischen Joystick, der in jeder Position eine ander Kombination aus Wärme und Volumenstrom liefert. Total unübersichtlich, aber das ist noch nichtmal der größte Fail. Der Duschkopf ist hier nämlich fest in der Wand verankert, es gibt also nur eine einzige Position, nämlich schräg von oben.
Ihr könnt euch bestimmt vorstellen wie sich das anfühlt, wenn man bei diesem bescheuerten Joystick aus Versehen auf ganz viel und heiss kommt, und dann unausweichlich die Brühe über den Kopf geschüttet bekommt. So was whackes! 1 Punkt für Europa
4.) Die Temperaturskala
Wie im letzten Punkt schon angekündigt, werd ich nun die Temperaturskala bewerten. Aber wie kann man eigentlich zwei Sachen vergleichen, die genau das gleiche aussagen? Ganz einfach, in dem man sich anschaut wie praxisnah die beiden Systeme sind, sofern es da ein Unterschied gibt. Ein Vergleich zwischen den amerikanischen Miles und den europäischen Kilometern würde zum Beispiel wenig Sinn machen (Der Punkt würde allerdings an Europa gehen, da im Wort Kilometer schon die Anzahl der Untereinheiten steckt, aber das ist natürlich kein gewichtiger Vorteil). Bei den europäischen Grad Celsius und den amerikanischen Grad Fahrenheit gibt es jedoch einen klaren Sieger.
Den jeder mündige Leser auch selber erkennen wird: Wie wir alle wissen, friert Wasser auf Meereshöhe bei 0°C und siedet bei 100°C. Aber wie kam der holländische Themometerbauer Daniel Fahrenheit es eigentlich zu den markanten Punkten 0°F und 100°F? Ich zitiere die Seite http://www.celsius-fahrenheit.de/
" An einem Wintertag, als er vor die Tür trat, war es schrecklich kalt, und er sagte: "So, kälter wird's nimmer, das ist heute der kühlste Tag, den es je gab", und sagte, das sind jetzt 0 ° Fahrenheit (es waren -17,8 ° Celsius). Auf der anderen Seite nahm er dann seine Körpertemperatur und sagte, so, das sind jetzt 100 ° Fahrenheit. Die Legende sagt, er muss leicht angeschlagen gewesen sein, denn 100 ° sind in Celsius 37,8 °
Hahaha 😀
Fest steht auf jeden Fall, im Alltag sagen diese Punkte garnichts aus, außer man will sein Fieber messen. Ich vermute, irgendwann werden auch hier die Grad Celsius eingeführt. Damit tun sie sich auf jeden Fall bei Wetterberichten einen Gefallen, und niemand muss mehr drüber nachdenken ob es bei 20°F nun glatte Straßen hat oder nicht.
So erklären sich übrigens auch die berühmten 129 Grad (54°C) aus dem Intro von einem meiner Lieblingssongs... früher dachte ich echt es gibt irgendwelche Wüsten wo es manchmal über 100° Celsius hat. Ob das wohl irgendwer von euch noch kennt? 😀 Eins der legendärsten Musikvideos aller Zeiten auf jeden Fall. Anyways... 1 Punkt für Europa
5.) Die Öffnungszeiten
Man findet hier in jeder Stadt mindestens einen Supermarkt, der 24h offen hat, das nenn ich Luxus. Natürlich ist der Preis, dass es viel mehr Leute gibt die in der Nachtschicht arbeiten müssen...aber scheinbar lohnt sich das auch. Klare Sache: 1 Punkt für Amerika
6.) Die Handyverträge
Sehr zu meiner Freude gibt es in Amerika eine ganze Bandbreite an monatlichen Prepaid Handyverträgen, so mag ich das! Dass ich festen Verträgen mit Mobilfunkfirmen grundsätzlich misstraue ist kein Geheimnis (siehe unten). Schade ist nur, dass die Angebote bereits bei einem durchaus hohen Level beginnen ($30), hier scheint es keinen Kundenkreis für die Nutzer kleiner Datenpakete zu geben. An wen der Punkt hier geht, kann ich erst sagen wenn ich den aktuellen Markt in Deutschland gecheckt hab, vorerst ein Unentschieden.
Ich persönlich hab mittlerweile den Verdacht, dass Mobilfunkfirmen die größten Haifische auf dem freien Markt sind, ungefähr auf einer Stufe mit Sklavenhändlern und Zuhältern. Wobei nichtmal die ihre Kunden so krass abziehen wie zum Beispiel mein Handyanbieter. Ne mal Spaß beiseite, ich bin zwar nach wie vor unter Vertrag, aber das wird sich wohl nach einigen unschönen Vorfällen in letzter Zeit nach meinem Amerika Aufenthalt ändern, ich bin richtig sauer und fühle mich hart über den Tisch gezogen. Es gibt nicht viele Branchen in denen kundenunfreundliches Verhalten so toleriert wird wie hier. Ich frag mich außerdem wie sich diese hohen Tarife überhaupt halten können. Es muss echt ein riesen Geschäft sein...
Wenn man mal alleine mit meiner Studentenstadt Freising rechnet... angenommen 10% aller Freisinger Bewohner sind bei einer der großen Mobilfunkkonzerne unter Vertrag, dann sind das ja bei 40.000 Einwohnern schon alleine 4000 Kunden. Ich vermute mal im Schnitt gibt jeder von denen 35€ im Monat für seinen Flatrate Handyvertrag aus, könnte sein dass dieser Wert durch Zweithandys sogar noch höher ist. Das würde ja alleine in Freising für ein Einkommen von 140.000€ pro Monat sorgen. Und es kann mir keiner erzählen, es kostet über 100.000 € monatlich das Mobilfunk und Datennetz für eine Kleinstadt aufrecht zu erhalten.
7.) Die Eichhörnchen (Squirrels)
Büäh, was ne Ratte! Foto aus dem Central Park 😛
Allerdings ist es draußen in State College nicht ungewöhnlich im Alltag & Straßenverkehr hier Tieren zu begegnen, für die man sich in Europa auf die Lauer legen muss. Was bei uns so selbstverständlich ist wie Eichhörnchen gilt hier auch für Biber, Bisam-Ratten, Otter und Springmäuse.
Wenn man nur nach den Eichhörnchen geht würde der Punkt nach Europa gehen, so werte ich tierübergreifend ein Unentschieden.
8.) Die Fußgängerampeln
Ich find es echt amüsant, dass einer der meiner Erfinderträume meiner Kindheit in den USA in die Realität umgesetzt wurde... und zwar so wie es mir scheint im ganzen Land. Das Foto ist hier aus New York (und wurde anscheinend mal mit nem Stein beworfen oder angeschossen), aber in State College regiert das selbe System
Die Ampeln hier leuchten erst grün und zeigen dann einen von 10 herunterzählenden Countdown, bevor sie rot werden. In dem selben Moment schalten die quer laufenden Autoampeln auf grün. Zeitsparend, transparent, effektiv. Top. Nervig ist nur, dass man hier wirklich jede Ampel per Knopfdruck aktivieren muss. Aber dennoch: Ein Punkt für Amerika.
9.) Die Gärten
An wen wohl dieser Punkt geht? Fest steht auf jeden Fall, wir müssen uns mit unseren Gärten wirklich nicht verstecken. Ein kleiner Rundgang durch eine beliebige deutsche Kleinstadt zeigt: Überall vielfältige Blumen, besondere Baumarten und vorallem, Beerenstauden und Gemüsebeete.
Kann Pennsylvania (stellvertretend für Amerika) das noch übertrumpfen? Die Antwort ist, Pennsylvania kann nichtmal die Wüste von Gobi übertrumpfen, was botanische Vielfalt angeht. Ich hab noch nie sowas langweiliges und einheitliches gesehen wie die Gärten in den Suburbs von State College. Was ist denn los mit den Leuten, will hier niemand vor seinem Nachbar angeben? Selbst in den standardisierten Briefkästen, die wenigstens manchmal in Farbe und Aufdruck varriieren, herrscht mehr Vielfalt als in den Bäumen hier.
Gebt euch das mal: Der häufigste Gartenbaum ist hier der rote Zierapfel. ZIER-APFEL 😫
Ich krieg jedes mal die Krise wenn ich so eine Verschwendung an Reichhaltigkeit sehe. Wie wärs, wenn jeder mal seine Zierapfelbäume ausreißt und stattdessen mal einen richtigen Obstbaum pflanzt? Meine Gartenbaufreunde aus Freising (an dieser Stelle liebe Grüße) würden bei einem Praktikum hier wahrscheinlich nach einer Woche enttäuscht zurückreisen. Ein Punkt für Europa
PS: Gestern hab ich mal eins der seltenen Gemüsebeete hier entdeckt, die fallen dafür ziemlich ins Auge. Sehen immer so aus:
10.) Hilfsbereitschaft
Es ist noch nicht lange her, da hab ich zufällig einen Bericht über die Weltreise einer meiner Lieblingsautoren für Sachbücher gelesen. Sein Fazit: Es gibt kein Land, dass eine so steife, rücksichtslose und unfreundliche Mentalität hat wie die Deutschen. Amerika, sein erstes Reiseziel, wurde dabei als Kontrast besonders hervorgehoben.
Aber stimmt das wirklich? Natürlich bin ich als Deutscher, der die deutsche Mentalität gewohnt ist, nicht ganz objektiv. Ich weiß, dass man auch in einer deutschen Großstadt Hilfe bekommt, weil ich weiß, wie man hier nach Hilfe fragt. Jemand der zum Beispiel München als Ausländer besucht, weiß das vielleicht nicht, und hält deswegen alle Deutschen für stoffelig, weil keiner angelaufen kommt und einem seine Hilfe anbietet, wenn man mal mit einem ratlosen Gesichtsausdruck einen Stadtplan mustert. (Das hab ich bisher tatsächlich nur in London und New York erlebt)
Allerdings bin ich gerade jemand, der ständig Hilfe braucht. Man muss nur mal kurz einen Blick hier über diesen Post werfen, dann kriegt man einen Eindruck davon, auf was man sich hier alles einstellen muss. Ne Menge. Und deshalb kann ich aus einer ziemlich großen Stichprobe heraus klarstellen (passend zur Kernaussage in himmelblau):
Die Leute in Amerika reagieren hier auf Hilfe suchende Leute genauso wie in Deutschland, nämlich größtenteils offen und freundlich, mit wenigen Ausnahmen.
Dennnoch gibt es hier einige wenige Leute, die den Unterschied ausmachen. Von hundert Leuten die man fragt sind es höchstens fünf, aber die haben es dafür in sich. Ich hab sie innerlich Hebammerikaner getauft, was eigentlich ziemlich gemein ist. Meine erste Hebammerikanerin traf ich direkt nach dem Flug in der Ubahn von New York, kleingedruckt die ganze Story.
Ich saß gerade orientierungslos und vorallem internetlos in einer der New Yorker Tubes, und machte mir einen Plan wie ich möglichst schnell meinen Vermieter finde. Neben mir saß eine leicht übergewichtige karibisch aussehende Frau, genau die richtige Person um ein paar Worte zu wechseln, dachte ich mir. Es sollte eine der schwersten Dialoge meines Lebens werden.
Nachdem ich erstmal bruchstückhaft erklärt hab wo ich hinwill, übernahm sie sofort das Zepter. In einem nie erschöpfenden Redeschwall prasselte sie mit einer umständlichen Wegbeschreibung auf mich ein, von der ich mir kein Wort merken konnte, außer die Station wo ich aussteigen soll (und selbst die stellte sich als falsch heraus) Endlich bei der Station angekommen, bedankte ich mich und wollte gerade mein Gepäck schnappen und rausgehen. Aber die Dame war noch lange nicht mit mir fertig. Obwohl sie völlig woanders hin musste, stieg sie an der selben Station aus, um sicherzugehen, dass ich in die richtige Linie umsteig. Oh man, ich hab mich echt wie ein Säugling gefühlt. Als sie merkte, dass wir völlig falsch sind, ging sie kurzerhand durch die Sicherungsschleuse zum Informationsschalter um in meinem Namen nach dem Weg zu fragen. So fremndgeschämt hab ich mich noch nie. Zumal durch diese Aktion ein neues Problem entstanden ist, nämlich dass wir jetzt außerhalb des Ubahnreviers waren und beim wieder eintreten nochmal hätten zahlen müssen. Sehr zu meiner Erleichterung nahm mir die Hebamme aber konsequenterweise auch den Fahrpreis mit ihrer Streifenkarte ab. "Okay, danke nochmal, aber ich muss mich jetzt echt beeilen, machs gut" Glücklicherweise drehte sie dann endlich ab, und ich konnte meine Reise fortsetzen.
Ich persönlich werde nicht gerne bevormundet, und ich hab sowas in meinen 20 Lebensjahren in Deutschland auch noch nie erlebt. Tatsächlich schafft es Amerika, diesen Punkt noch zu verlieren. Ein Punkt für Europa.
11.) Die Schlüssel
Hä wie, die Amerikaner haben andere Schlüssel? Wie kann man sich das denn vorstellen, Oskar? Nein nicht ganz, ich mein damit nicht die konventionellen Schlüssel, die sind nämlich hier genauso gut oder schlecht wie in Europa auch. Ich mein damit eher das System, dass hier zum abschliessen der Häuser verwendet wird, und dass dazu führt, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben keine Schlüssel mit mir herumtrage. Nicht einen einzigen!
Alles was ich zum Eintreten ins Haus meiner Vermieterin brauche, ist ein vierstelliger Zahlencode. Ist das nicht genial? Den kann man nicht verlieren, und selbst wenn man ihn des Nachts mal vergessen hat, kann einem der Mitbewohner entspannt per SMS die Tür "aufmachen", in dem er dir den richtigen Code schickt.
ABER was wenn man mal den Nachbarn beauftragt in den Ferien die Blumen zu giessen? Dann gibt man ihm den Code und er kann immer reinspazieren? Wie unangenehm! Nein, auch daran wurde gedacht. Neben, oder besser gesagt, in dem Zahlenschloss gibt es nämlich auch noch ein normales Schloss, mit einem ganz normalen Schlüssel, den man auch mal verleihen kann.
Ein fetten Punkt für Amerika.
12.) Die Sommermode
Die Fotos sind natürlich nicht von mir und das erste nichtmal aus Amerika, aber ihr wisst was ich mein. Ein Punkt für Amerika 😎
13.) Die öffentlichen Verkehrsmittel
In einem Land, in dem der Fernbus von Los Angeles nach Las Vegas (immerhin 440 km) für Frühbucher nur 14€ kostet, werden öffentliche Verkehrsmittel bestimmt groß geschrieben. Ob es sich da lohnt, überhaupt ein Fahrrad zu kaufen? Eher nicht, dachte ich...
... bis ich in State College ankam. Schon in New York war mir aufgefallen, dass die Ubahn dort im Vergleich zu München oder Wien ziemlich teuer war. Man zahlte dort pro Fahrt satte $2,75, und es gab keine Tageskarte oder ähnliches. Aber damals dachte ich noch, ist halt ne Weltmetropole. Wird in State College schon anders sein. Weit gefehlt, eine Monatskarte für den Stadtbus kostet hier $70, also beim aktuellen Kurs ca. 63€. Was geht denn da bitte ab, wer kann sich denn sowas leisten? Ich auf jeden Fall nicht, mein Fahrrad steht schon in der Garage. Nur diesen Monat hab ich zum warm werden mal eine Ausnahme gemacht, und wurde zum zweiten Mal an einem Tag für ein Pass fotografiert (Links mein Penn State Studentenausweis)
Bei den Preisen ist es kein Wunder, dass hier jeder mit dem Auto herumfährt, und die Umgehungsstraßen hier ausgebaut sind wie Autobahnen bei uns. Selten so ein umweltschädliches System gesehen, hier sollte der Staat mal strukturell eingreifen. 1 Punkt für Europa
14.) Das College
I heard a lot that you spread so much knowledge /
but which kind of city call themself State College?
[Freestyle von nicepeter, dem Erfinder der Epic Rap Battles of History]
Kommen wir zu dem größten Unterschied, der mir bisher zwischen Amerika und Europa aufgefallen ist, und einer der wenigen Punkte die ich hier doppelt gewichten möchte. Fragt man irgend einen Europäer, was ein College ist... "ja halt so ne typische amerikanische Universität". Das dachte ich auch als ich hier her kam. Und das ist auch nicht verkehrt, nur umfasst es nicht mal annähernd alles, was hier unter College verstanden wird.
College ist hier die Stadt in der Stadt. Der Campus in State College ist eine Stadt. Und State College außenrum ist auch eine Stadt. Aber die Stadt in der Stadt ist städtischer als die Stadt um das College. Versteht ihr? Natürlich hat das eine ganze Latte an Folgen, ich trau mich aber im Moment noch nicht die zu bewerten.
Was mir momentan gut gefällt ist, dass es hier quasi alles mit dem Logo der Penn State University zu kaufen gibt, von der Kaffeetase bis zum Wintersocken. Auch mein Koffer kriegt bald einen dieser Penn State Löwen aufgetaggt, und zwar dauerhaft. Very nice. Man merkt, dass die Leute sich hier sehr mit ihrem College identifizieren, bei Konzerten schämen sie sich zum Beispiel nicht die ganze Zeit Sprechchöre wie "We are Penn State" zu skandieren. Das wiederrum geht meiner Ansicht nach etwas zu weit und errinnert mich eher an Fußball Hooligans als an Studenten.
Also vorerst ein Unentschieden, ich werd das noch editieren.
15.) Die Amischlitten
Wie amerikanische Autos aussehen, weiß in Europa so ziemlich jeder. Und das Klichee trifft voll ins Schwarze, ich hab in meiner Zeit in State College mehr Ford Mustang und mehr Chevrolets an mir vorbeifahren sehen als in meinem kompletten bisherigen Leben in Europa. Und das, obwohl es eine Studentenstadt voller "armer Studenten" ist. Allerdings sollte man einen Butterstollen nicht nach seinen Rosinen bewerten.
Wenn man hier an einer Kreuzung steht und die vorbeifahrenden Autos beobachtet (das hab ich mehr als einmal gemacht) kommt einem kein Zweifel auf dass man sich hier auf einem anderen Kontinent befindet. Allerdings könnte man zeitweise denken man steht in Japan herum und nicht in Amerika. Das Standard Auto für die Mittel- und Unterschicht hier ist ein Toyota Crystal, oder ein Hyndai. Wer es sich leisten kann, legt sich dann irgendwann als "Zweitwagen" ein etwas dickeres Auto zu. Das kann man hier sehr gut an den Doppelgaragen der Bewohner meiner Vorstadt beobachten, hier mal ein Beispiel:
Ihr könnt euch nicht vorstellen wie groß der ist? Keine Sorge, ich hab noch ein Bild gemacht mit einem Wohnwagen im Größenvergleich:
War nur Spaß, glaub der Wohnwagen ist auch für amerikansiche Verhältnisse etwas oversized. Aber tatsächlich fallen die Autos hier zu 90% in die genannten zwei Kategorien "Toyota" oder "Monster". Die dritte Kategorie "Luxuswagen" umfasst neben den ganz oben genannten Stereotypen auch Mercedes und BMW Limousinen, die hier als besonders hochwertig eingestuft werden.
Mir gefallen vorallem diese riesigen rauchausstoßenden Geländewagen nicht, im Schnitt werden in Europa vernünftigere und elegantere Autos gefahren. Obwohl der Punkt an Europa geht muss ich aber nochmal klarstellen, dass es hier auch echte Perlen gibt, und nicht alles scheiße ist was hier herumfährt. 1 Punkt für Europa
16.) Die Abrechnung
Langweiliger Aspekt, also mach ichs kurz: Es bestehen nicht so große Unterschiede wie man mir prophezeit hat. In Amerika wird nur anstatt einer EC Karte immer eine Kreditkarte gezogen, mir ist das allerdings völlig wurscht welche ich benutze. Dass man hier mit Karte viel weiter kommt, als in Europa, kann ich nicht unterschrieben. Interessant ist aber, dass man hier in den riesigen Supermärkten ein "self check out" mit Karte ohne Personal machen kann, man muss sein ganzes Zeug also selber einscannen. Das ist ziemlich praktisch wenn man es (so wie ich meistens) eilig hat. Auch cool ist die seperate Speed Kasse, für Leute mit unter 20 Waren.Reicht knapp für 1 Punkt für Amerika.
17.) Die Gespräche
Ich: *komm zum Infostand eines großen Elektroladens*
Verkäufer: Hey what's up? How are you doing?
Ich: *etwas perplex* Hm, normal. Just a little bit tired
Verkäufer: Ah cool, do you need some help?
Ich: How are you doing? ... ... äh yes, I need some help
Ooooh man, ob ich mich damals je gewöhne? Es scheint hier absoluter Standard zu sein, einfach jeden nach seiner Befindlichkeit zu fragen. Das kennt man in Deutschland eigentlich nur von Freunden, hier dagegen interessiert sich anscheinend jeder für jeden, egal in was für einem Verhältnis man zueinander steht. Auffällig ist allerdings, dass es scheiß egal ist, was man auf die Frage "How are you doing?" antwortet... der andere sagt eh "okay" oder "cool" und macht dann weiter als wär nichts.
Der Dialog oben ist 100% typisch für Leute, mit denen man aus geschäftlichen Gründen redet. Auf privater Ebene fällt aber auch auf, dass die Leute hier grundsätzlich keinen Stock im Arsch haben. Sobald man eine Weile miteinander redet, verschwimmen die kulturellen Unterschiede und alles ist wie in Deutschland auch... naja fast alles.
Was auffällt, ist dass man hier abartig viele Fragen gestellt bekommt. Und ich hab da schon mit einberechnet, dass es ja auch verdammt viele Fragen an mich gibt. Klar hab ich hier etwas Exotenstatus, und man kann sich mit mir kaum über das Klima der letzten Jahre unterhalten. Aber selbst wenn man das alles rausrechnet... ich komm mir hier immer wieder vor wie im Kreuzverhör. Es ist schön, Sachen zu erzählen, weniger schön ist es aber wenn man darauf null Feedback bekommt, sondern immer gleich die nächste Frage. Das ist langweilig und anstrengend, ich will doch auch meinen Gesprächspartner kennen lernen. Es gibt natürlich solche und solche Persönlichkeiten, aber die Tendenz zum Vielfragen lässt sich hier nicht unter den Tisch kehren.
Im Großen und Ganzen kann ich mich aber nicht an eine einzige Person erinnern, die keine Lust auf ein Gespräch hatte und desinteressiert reagiert hätte. Und das, obwohl es nicht so leicht ist mit mir zu kommunizieren, und ich oft wegen Verständnisproblemen nachfragen muss oder mich wiederholen muss. Starke Quote, spricht für die Offenheit der Leute hier. Und Offenheit ist meiner Ansicht nach etwas gutes, das soll mit zwei Punkten honoriert werden.
Ach, da fällt mir ein, diese Kreuzverhör Sache. Sagen wir: 1 Punkt für Amerika
18.) Fast Food
Hier muss ich glaub ich wirklich niemandem erklären, wer hier warum den Punkt aufs Konto kriegt. Ich sags mal mit einer Grafik:
Und es gibt sie wirklich alle! Niemand kann den Amis etwas in Sachen Fast Food vormachen. Ich werd auf jeden Fall in einem späteren Blog Beitrag mal meine Favourites küren, bisher hab ich eine klare Nummer eins. 1 Punkt für Amerika
19.) Alkohol
Man glaubt es kaum, wenn man sich mein Titelbild so anschaut, aber ich bin tatsächlich seit dem ersten September 2015 alkoholfrei unterwegs. Direkt nach meiner Ankunft hatte ich mal kurz Lippenkontakt mit amerikanischem Bier, als mein Vermieter mir freundlicherweise ein 0,33l American Beer einschenkte. Allerdings war das nach circa zwei Zügen weg... kein Wunder, war ja auch nen 0,33er. Lecker war es trotzdem. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Amis es nicht mit unserer Vielfalt aufnehmen können. Herausfinden werde ich es allerdings frühestens ab dem 16. Dezember 2015.
Warum? Weil ich dann endlich 21 werde. Und hier gibt es eine Altersbeschränkung für den Kauf von alkoholischen Getränken, unter 21 darf man hier garnichts holen. Weder in Restaurants noch in Supermärkten. Von Clubs und Bars ganz zu schweigen, da wird man nichtmal reingelassen.
Ich mein, in Deutschland kommt man mit 16 in jede Dorfdisko, hier muss man allen Ernstes noch fünf weitere Jahre warten. Als mein asiatischer Kumpel Er Fun Den zum ersten Mal von dieser Restriktion hörte, reagierte er folgendermaßen (Bitte in neuem Tab Öffnen):
https://www.youtube.com/watch?v=YaG5SAw1n0c
Ich kann ihm da ganz gut zustimmen. Also der Teil von mir der gerne Alkohol trinkt und sein Leben geniessen will, findet das richtig Scheiße. Der Teil von mir der die Welt zu einem besseren Ort machen will dagegen, findet die Beschränkung sogar richtig richtig Scheiße. Ich mein, was wird denn damit erreicht? Dass die Jugendlichen sich, statt sich in der Disko gepflegt zu betrinken sich in der Garage ihren eigenen Schnaps brennen und dann an einer Methanolvergiftung sterben. 1 Punkt für Europa
20.) Reisen innerhalb des Kontinents
Einer der größten Leistungen der EU ist in meinen Augen der freie Personenverkehr. Es muss eine Riesen Umstellung gewesen sein, als endlich die Zollstellen an den Grenzen abgerissen wurden... wenn ich mir vorstelle, dass es früher an jeder innereuropäischen Grenze so zuging wie an der zwischen Schweiz und Österreich, kann ich das gar nicht hoch genug schätzen.
Die vereinigten Staaten von Amerika toppen diese Freiheit jedoch noch einmal. Kein Wunder, hier handelt es sich ja auch um einen großen Staat und nicht um einen Haufen Staaten. Und nirgendwo bekommt man diese Freiheit mehr zu spüren, als beim Thema Reisen. Dadurch, dass es amerikaweit nur einige wenige große Transportkonzerne gibt, sind die Preise für Leute wie mich unfassbar billig. Alle die es bis jetzt geschafft haben sich meine Themen durchzulesen werden dafür jetzt mit einer einzigartigen Karte belohnt.
So wenig kostet Reisen in den USA. Gekrümmt: Fluglinie, Gerade: Fernbus, Gestrichelt: Bahn
Wer will mich jetzt besuchen kommen? 😀
Es sollte mich wundern, wenn ich nicht am Ende meines Praktikums noch genügend Geld für einen gediegenen Trip nach Kalifornien und Nevada übrig hab, vielleicht sogar nich nach Texas und Florida. Danke STA Travel, danke GotoBus, danke Megabus. 1 Punkt für Amerika
Übrigens, ich will hier ja nicht öffentlich große Töne spucken, aber vielleicht bekomme ich bei meiner finalen Rundfahrt durch die USA sogar heiß erwarteten Besuch aus Deutschland. Steht aber alles noch in den Sternen, würd mich unendlich freuen wenns klappt 🙂🙂🙂Fest steht auf jeden Fall, dass mich meine Eltern zu den deutschen Herbstferien in New York besuchen, das wird auch ein denkwürdiges Wochenende für mich.
to be continued...
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Dieser Beitrag hier bleibt lebendig, ich hab so viele Sachen noch gar nicht erwähnt. Zum Beispiel die berüchtigte Amerikanische Spießigkeit was Sex angeht, oder die Art und Weise wie sie hier das Raumklima beeinflussen oder ihre Einstellung gegenüber Schwarzen. Da werd ich überall noch was dazu schreiben, aber erst im Laufe der Zeit.
Wie sieht es jetzt unterm Strich aus, wird Zeit Punkte zu zählen...
vs
8 : 9
Der Pokal geht also knapp an Amerika, wer hätte das gedacht? Aber mal abwarten, was da noch so kommt. Hoffe ihr habt den Beitrag genossen...
Sonntag, 20.09.2015
Ich hatte eigentlich nicht vor, so lange mit dem nächsten Blogeintrag zu warten. Eigentlich wird es ja jetzt erst richtig interessant. Die ganzen Beiträge aus New York oder vom Flug hätte jeder Tourist auch genauso schreiben können, diesen Beitrag hier allerdings nicht.
Hier soll es darum gehen, wie es mir als Praktikant in den USA so geht. Wie ist meine Arbeit, und wie ist das Leben auf dem Campus so nach dem ersten Wochenende?
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Ich weiß, dass einige wenige Leser diesen Blog hier lieben. Und ich leiste gerne meinen Beitrag, in der weiten Welt des word wide web für ein bisschen Unterhaltung und Information zu sorgen. Wessen Augen auch immer gerade diesen Worten hier folgen... mach es dir bequem und viel Spaß beim Lesen. Wahrscheinlich kommt auch ziemlich bald der nächste Post, ich hab nämlich auf meiner Festplatte noch zwei 80% Beiträge** herumliegen 😀
Mein erster Arbeitstag in dem Childrens Eating Behavior Lab im Nutrtion Department (Abteilung Ernährungswissenschaft) der Penn State University ist jetzt schon fast zwei Wochen her, und es hat sich in dieser Zeit nicht so viel getan, was das Praktikum angeht. Der erste Arbeitstag war allerdings eine krasse Ausnahme, vor allem was die Länge angeht. "Früh morgens" um halb zehn war ich mit meiner Professorin in ihrem Büro verabredet. Ich war in dem Moment ziemlich angespannt, ich wusste, dass von dieser Person entscheident abhängt, wie gut mein Praktikum werden sollte. Wir hatten circa ein halbes Jahr zuvor schonmal geskyped, und ich hatte von Anfang an ein gutes Bauchgefühl bei ihr. Sie machte den Eindruck einer vergleichsweise jungen, sportlichen, extrem aufmerksamen Blondine. So eine bei der man das Gefühl hat, sie erreicht alles was sie sich vornimmt. Wie wird die also in Person so drauf sein? Ansonsten kannte ich nur ein einziges Foto von ihr:
Unser Einführungsgespräch dauerte nur eine halbe Stunde, mein uralter erster Eindruck wurde allerdings direkt bestätigt. Ich finde, sie ist eine gute Chefin... leistungsorientiert aber gleichzeitig warm und aufmerksam. Sie lies mir immer Zeit, auszureden, selbst wenn ich mal eine Weile nach den passenden englischen Wörtern suchen musste. Und sie interessierte sich für meine Motivation hier her zu kommen eben so sehr wie für jede meiner unzähligen Fragen. Was mir aber noch wichtiger war, sie kam nicht zu verbissen rüber. Irgendwann klärte sie mich darüber auf, dass es laut Laborregeln verboten war, böse Gerüchte oder Fotos über Studienteilnehmer über facebook zu verbreiten. Vom Wortlaut her klang das so ermahnend, als würde so etwas jeden Tag passieren. So nach dem Motto: "Alter checkt mal mein neustes Foto, diese Drecksplagen von der Familie Meyer haben sich mal wieder übelst hemmungslos die Donuts reingeschoben in der Studie. Hier schaut mal was für fette Hosentaschen die Mutter beim rausgehen hat, bestimmt hat sie noch ein paar Reste eingesteckt! #fettwiemeyer "
Auf jeden Fall musste ich unwillkürlich auflachen, bevor ich schnell noch ein "no worries" anhängen konnte. Als würde irgendwer sowas machen. Sehr zu meiner Freude musste sie auch lachen, womöglich hatte sie ähnliche Gedanken. Besser konnte mein Praktikum nicht anfangen.
Das Labor selber hat fünf wesentliche Bestandteile, und nur einer davon erinnert an ein herkömmliches Chemie oder Mibilabor. Nämlich die Küche, offiziell Metabolic Kitchen genannt. Im krassen Gegensatz zur Küche in meinem Wohnhaus ist hier alles hygienisch einwandfrei gelagert und alles hier wirkt hochprofessionell. Hier wird im Wesentlichen hergestellt, was für die aktuelle Studie gerade so an Essen benötigt wird. Sehr zu meiner Enttäuschung lernt man hier aber nicht gerade kochen, da hab ich mir in der Tat mehr erhofft. Das komplexeste was ich bisher zubereiten musste, war das Standard Abendessen des Labors: "Maccaroni and Chese" ... Nudeln mit Käse, Milch und Magarine, als Beilage gibt es frisch aufgetauten Brokkoli. Schon jetzt hab ich die Nase voll von dem Geschmack, ich kann mich nur damit trösten, dass ich das so oder so nicht sonderlich gemocht hätte. Hier mal zwei Fotos als Beilage zu meinem Text 😉
Die beiden Damen links sind übrigens meine französischen Mitarbeiterinnen Ophelie und Meline. Ich hab mich anfangs sehr gefreut, dass in meinem Labor noch andere in meinem Alter angestellt sind, und ich finde das bis heute noch eine gute Sache. Allerdings hab ich nicht damit gerechnet, dass sich die beiden mit Abstand als die langweiligsten Menschen auf der Erdkugel herausstellen. Ich hab tatsächlich das Gefühl, dass aufregendste an ihrem ganzen State College Aufenthalt war, als ihnen an meinem ersten Arbeitstag die Maccaroni angebrannt sind. Ich muss mich an dieser Stelle mal aus einem nie veröffentlichten Blogbeitrag mal selber zitieren:
Ich will nicht so enden wie meine zwei französischen Laborgehilfinnen, die sich ihren Abend mit französischen Dokus und französisch reden ausfüllen, kaum englisch gelernt haben und mir absolut nichts zu sagen haben. Das sind die selben Kandidatinnen, die jetzt mit dem Greyhoundbus für übertriebene $90 pro Strecke nach Washington fahren, um da nichts zu erleben. So nicht!
Außer den beiden Praktikantinnen arbeiten noch eine Hand voll amerikanische Studentinnen bzw Doktorandinnen sowie zwei Highschool Schülerinnen und eine fest angestellte Labormanagerin in dem Laborin. Sorry, in dem Labor. Die Arbeitsatmosphäre ist im großen und ganzen friedlich und angenehm, und das kommt bei der Frauenquote echt überraschend. Bei meinem vorletzten Praktikum im Auftragslabor L+S * waren circa 80% der Angestellten weiblich, und ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht so einen Zickenkrieg erlebt. Selbst in der Schule haben sich die Weiber in meiner Klasse sich nicht so hinterfotzig verhalten, wie dort in der Mensa, und dass obwohl die alle schon lang volljährig waren. 😀 Besonders lustig waren immer die Situationen, in denen die eine minderwertige Lästernudel darüber gelästert hat, was für eine minderwertige Lästernudel die andere Kollegin doch sei. Getoppt wird das nurnoch von dem Satz den ihr gerade gelesen habt, in dem ich über Leute läster die über lästernde Leute lästern. Wenn einer von euch jetzt über meine Doppelmoral lästert, dann lästert er über jemanden, der über Leute lästert, die über andere Leute lästern, weil diese wiederrum lästern. Viel Spaß dabei!
* Läster + Schwätz
Zurück zum Labor. Mal abgesehen von der Küche gibt es noch ein Wartezimmer mit Spielsachen, in dem die Familien mit ihren Kindern (die Untersuchten sowie oft auch deren Geschwister) auf des Ende der Datenaufnahme warten. Die untersuchten Kinder essen dann allerdings in einem von zwei separaten Räumen, in denen ein großer Esstisch voller Spielsachen herumsteht. In der Regel wird die Tür zwischen diesen Esszimmern und dem Wartezimmer nur angelehnt, damit die kleinen Pisser keine Angst bekommen. In beiden Zimmern befindet sich noch ein Spiegel, der allerdings nur in Richtung Esszimmer spiegelt. Würde man durch diesen "Spiegel" hindurchsteigen, würde man im Observationsraum landen und könnte durch den "Spiegel" die Kinder beobachten. Wir gehen natürlich immer auf einem anderen Weg in diesen Raum. Es ist echt lustig, wie sich Kinder beim Essen verhalten, wenn sie denken, dass sie unbeobachtet sind. Besonders das oben schon erwähnte fette kloßförmige Kind der Familie Meyer, dem ich erstmal völlig zurecht ins Essen gespuckt hab. Unten ein Schnappschuss, wie er sich gerade eine Banane in den Mund schiebt.
Ne, Spaß beiseite, die meisten können sich echt erstaunlich gut mit den Spielsachen beschäftigen. Besonders gefeiert hab ich den einen Knirps, der sich immer wieder aus Knete kleine Essensschälchen gebastelt hat und darin ein paar M&Ms wie Ostereier ins Nest gelegt hat. Oder ein anderer, der die kompletten zwanzig Minuten, die er Zeit zum snacken hatte, mit Kartenspielen gegen sich selbst vertrieben hat. Ich muss dazu sagen, dass es sich hier um eine Studie handelt, bei der satte Kinder leckeren Süßigkeiten ausgesetzt werden, die sie essen können aber nicht essen müssen. Aber dazu ein anderes Mal genaueres. Interessant fand ich auch, dass es in der Vergangenheit schon massive Probleme mit Kindern gab, die anstatt die Süßigkeiten zu essen sie lieber heimlich in die Hosentaschen gesteckt haben. 😀 Wegen solchen Lausbuben mussten schon ganze Besuche unausgewertet bleiben, da man auch auf den Videoaufnahmen nie einschätzen konnte wie genau das Ergebnis verfäscht wurde. Seitdem kriegen die Kinder immer gesagt, dass sie am Ende alle Süßigkeiten nachgeschickt bekommen, um so einem Hamster Verhalten vorzubeugen. Meiner Einschätzung nach beinflusst so eine Ansage allerdings massiv ihr Essverhalten, ich hab bisher aber nichts dazu angemerkt.
Jonathan Meyer bei seiner Lieblingsbeschäftigung: fressen
Der fünfte Teil des Labors ist ein Gang mit einem kleinen Sensorikpanel sowie einer Waage, einem Zollstock und einem Messgerät für den Körperfettanteil.
Meine Arbeitszeiten sind immer dann, wenn etwas zu Essen zubereitet werden muss... also nicht besonders oft und wenn, dann nicht besonders lange. Es gab sogar schon Tage, wo ich erst um vier Uhr nachmittags anfangen musste und um sieben Uhr schon wieder fertig war. Mir passen diese Arbeitszeiten momentan gar nicht in den Kram, da ich mit meiner freien Zeit als Neuankömmling noch nicht so viel anzufangen weiß, außer natürlich am frühen abend zwischen vier und sieben, wenn die Leute auf dem Campus Fußball oder Squash spielen. Dumm gelaufen. Klar, ich musste auch jede Menge Papierzeuch erledigen und mich für jeden Mist zertifizieren lassen, aber im großen und ganzen bin ich unterbeschäftigt. Ich hoffe das erledigt sich nächste Woche von selbst, ansonsten muss ich da mal von selbst das Gaspedal drücken. Ich will ja ordentlich Praxiserfahrung sammeln hier, dafür hab ich mich so ins Zeug gelegt. Und ich hab auch das Gefühl, dass die Studien hier schwer interessant und wichtig sind, nur fehlt es mir noch an tieferer Einsicht
Außerdem bin ich teilweise unterfordert, ich find es immer wieder erstaunlich was man mir hier alles nicht zutraut. Es hängt natürlich von derjenigen ab, die gerade in der Küche das sagen hat. Eine zum Beispiel hat die gesunde Einstellung, wenn ich ihre Arbeit mach und sie dabei zuschaut und nebenbei was anderes erledigt, haben wir beide was davon. So lob ich mir das, so stell ich mir Kooperation vor. Eine andere wiederrum verhält sich mir gegenüber dagegen so überheblich und arrogant, dass ich schon gegen den Drang ankämpfen muss ihren Steckbrief in der Eingangshalle zu verunstalten. Wenn sie im Labor ist, darf ich nichtmal in den Observationsraum, da ich das "Arbeiten mit Kindern Zertifikat" noch nicht bestanden hab. Ich frag mich dann immer, wann ich eigentlich das "Arbeiten mit Miststücken Zertifikat" bekommen hab, so das ich überhaupt in ihre Nähe darf. Das ist übrigens die selbe, die mich angeschnauzt hat, dass ich mein Fahrrad vor dem Labor nicht parken darf.* Gut, dass sie das nicht macht, ich hätte nämlich schon lange ihre Reifen zerstochen.
* Mit der Begründung "wenn das alle Studenten machen, wäre hier alles voller Fahrräder und keiner würde mehr hereinkommen". Meiner Ansicht nach gehen solche Begründungen für Verbote in mindestens 9 von 10 Fällen ins Leere. Schon als kleiner Junge fand ich solche Begründungen scheiße. "Oskar, du darfst keine Kaulquappe aus dem Teich mitnehmen, wenn das jeder machen würde gäb es keine Frösche mehr im Teich". Ja, aber der Punkt ist, das will ja überhaupt nicht jeder machen. Deswegen ist es ja auch nicht von Belang, was passieren würde wenn es jeder machen würde. Man sollte eher die Frage stellen, was würde sich ändern, wenn die zwei bis drei Hobby Zowärter, die sich pro Jahr eine Kaulquappe aufziehen wollen, sich auch eine fangen. Richtig: Gar nichts. Nach der selben Logik könnte man übrigens auch das Fahrradfahren auf dem Campus generell verbieten. Wieso? Weil, wenn jeder Fahrrad fahren würde, würde keiner mehr auf den Fußgängerwegen laufen können. Ist doch logisch, verbietet Fahrräder!
Der Campus an sich ist, verglichen zum Campus der HSWT oder der technischen Uni in München (TUM) riesig. Es ist University Park - eine Stadt in der Stadt, es gibt Einkaufszentren, Schreibwarenladen, Restaurants und Fitnesscenter. Und das, obwohl das Stadtzentrum der normalen Stadt State College direkt neben dem klar abgegrenzten Campusgelände ist. Ich hatte erst vorgestern mit einer anderen Deutschen die Diksussion darüber, ob des amerikanische oder des deutsche Modell besser ist. Ich hab gesagt, mir würde es als Student in Amerika eher taugen, weil in so einem begrenzten Gebiet natürlich schnell das Gefühl entsteht: "Wir halten zusammen, wir sind Penn State". Diese Einstellung wird auch sehr deutlich hier. Jeder zweite Vogel läuft hier mit einem Nittany Lion auf der Brust herum, dem Symbol der Penn State University. Und "We are Penn State" Sprechchöre hört man hier tatsächlich dann und wann erschallen. Außerdem gibt es hier offenbar eine große Alumni-Kultur. Es gibt ein Alumni-Center mit Übernachtungsmöglichkeiten und Computerräumen und selbst in dem sozialen Zentrum des Campus, im HUB, gibt es eine Alumni Hall. Das zeigt, wie stark sich Studenten hier mit ihrer Universität identifizieren. Ich würde mich freuen, wenn das in Deutschland genauso wäre... dort hab ich eher das Gefühl, die Universität ist in erster Linie eine Zweckgemeinschaft, ein Zusammenhalt von Studenten der klar auf die Dauer des Studium begrenzt ist. Klar kann es sein, dass während der Studienzeit geschlossene Freundschaften oder Beziehungen ein Leben lang halten, aus dem Uni-Kontext werden sie aber in jedem Fall gerissen.
Ich dachte eigentlich, dass damit alles zu dem Thema gesagt ist... meine Begleitung hat mich in der Hinsicht aber echt überrascht. Das amerikanische System hat nämlich auch eine große Schwachstelle, auf die sie sofort ihren Finger gelegt hat. Auf die amerikanische Art wird man nämlich nicht wirklich selbstständig. Bamm, da war ich erstmal still. Das trifft nämlich sowas von ins Schwarze. Überlegt mal, wenn man nach seiner Highschool so drauf ist, wie ein Abiturient in Deutschland, und dann direkt ins College kommt, fehlt eine wesentliche Erfahrung. Solche Leute müssen sich nämlich nie wirklich in einer fremden Stadt zurechtfinden. Wie gesagt, auf dem Campus gibt es alles, was man zum Leben braucht, sogar eine ganze Fülle von Jobangeboten. Und sind wir mal ehrlich, die meisten Menschen machen lehnen sich doch in solchen Angeboten voll zurück. Einmal die erste Woche überstanden, kann man es sich auf dem Campus richtig bequem machen, und muss seine Comfort Zone niemals verlassen. So einfach kommt in Freising niemand davon, da muss man sich, zumindest was das geschäftliche angeht mit der Stadt und ihren Bewohnern ausseinandersetzen.
Wir haben uns letztendlich geeinigt, dass für Leute wie uns, die sich so oder so unbequemen Situationen stellen würden, das amerikanische Systhem mehr taugt. Andere würden sich in so einer Campus Stadt allerdings eher zu realitätsfernen Faulenzern entwicklen.
Zum Abschluss noch ein hübsches Bild vom Campus, noch von meinem ersten Tag in SC. Tatsächlich ist es überall so voll, ich lass bei Gelegenheit noch ein paar weitere Bilder folgen.
Ein Kumpel von mir aus Australien ist übrigens am Jahrestag des Terroranschlags auf das World Trade Center (vgl Beitrag über New York) am Hauptgebäude der Uni vorbeigelaufen, und hat das folgende Foto aufgenommen. Ich war an dem Tag leider die meiste Zeit daheim am herumgammeln.
Es ist kein Zufall, dass dieses "Central Building" an ein altertümliches europäisches Gebäude erinnert. Konsequenterweise wurde es innen auch mit Decken und Wandmalereien ausgestattet. Ich hab leider vergessen, extra für meinen Vater ein paar schöne Fotos zu machen... einmal ist mir die Hand jedoch auf den Auslöser gekommen. Ich find die Idee einfach zu amüsant:
Ich frag mich, ob Historiker, wenn sie in 2000 Jahren noch ein Fundstück dieses Wandgemäldes finden wohl darüber rätseln, welcher Heilige wohl der seltsam gekleidete Typ in der Mitte mit dem komischen Ei in der Hand ist. 😀
So, es wird Zeit für mich zu pennen, ich hoffe ihr hattet beim Lesen eine gute Zeit. See ya.
** Ich hab neulich beim Schreiben wieder mal eine der seltsamsten Phänomene beobachten können, die sich so durch mein Leben ziehen. Ich war gerade dabei einen Beitrag zu schreiben und bin dabei etwas vom Thema abgekommen, da überfiel mich plötzlich so eine dumpfe Müdigkeit. Einerseits kein Wunder, es war vier Uhr nachts und ich war zum ersten Mal seit Wochen gut angetrunken. Andererseits hat mich das die Stunden davor auch nicht davon abgehalten produktiv zu sein. Ich mein, schreiben ist für mich wie reden, es strengt nicht wirklich an, braucht aber trotzdem volle Konzentration, sonst kommt nur Mist raus. Und genau so passierte es auch an jenem Tag schlagartig. Zapp, die Konzentration war weg. Ich schaffte es grad noch abzuspeichern und ins Bett zu fallen, da war ich auch schon eingeschlafen. Bisher klingt das nicht seltsam, sondern ziemlich menschlich und normal. Seltsam ist allerdings, dass ich mich am nächsten morgen nicht mehr wirklich klar an mein Schaffen erinnern konnte. Ich hab mir die ganze Textwand durchgelesen und mir an der ein oder anderen Stelle gedacht "Krass, der Gedanke ist mir neu". An dem morgen ist mir auch aufgefallen, dass mir das nicht zum ersten Mal eins zu eins so passiert. Mein PC ist voll mit irgendwelchen Projekten oder Texten, die ich durch irgend einen Gedanken schwer motiviert mal abends angefangen hab. Und mitten in der Nacht fallen gelassen hab, typischerweise bei gefühlt 80% des Inhalts. Wahrscheinlich hab ich mir jedes einzelne Mal gedacht: "Morgen machst du des Ganze aber fertig", und es ist nie so weit gekommen. Ich lass mir mal offen, ob ich da eines Tages mal aufräume, oder ob ich diese "Statuen ohne Kopf" auch weiter kopflos lasse.
Dienstag, 20.10.2015
Sooo... man hat schon länger nichts mehr von mir gehört, aber keine Sorge. Mir geht es nach wie vor gut und ich bin fleissig am Fotos machen. Der nächste Beitrag wird ziemlich fotolastig, versprochen. In diesem hier geht es aber nicht über Amerika, sondern hier will ich mal ein paar meiner Überzeugungen und Lebensweisheiten teilen, die ich so im Laufe der Zeit angesammelt hab. Na gut, ein spezielles Foto will ich euch mal nicht vorenthalten... ich bin hier nämlich endlich auch als Lebensmittelexperte hier angekommen 😀
Und wurde mittlerweile ordentlich eingeführt in die Welt der Instantnudeln, Mac&Cheese Fertigpackungen, Twinkies und Brownies, hier ein Beweisfoto:
Aber zurück zum eigentlichen Thema: Fortschritt. Ich hab mir mal die 8 Punkte rausgesucht, die meiner Ansicht nach für stetigen Fortschritt am wichtigsten sind. Für mich selbst hätte Ich niemals die Ausdauer, das alles aufzuschreiben (vgl Punkt 6) aber wenn ich weiß, das das jemand liest, dann gibt mir das doch den Kick alles in eine angenehm lesbare Form zu bringen. Los geht's!
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1.) Ziele
Wer von euch kennt Tim Gabel? Wahrscheinlich keiner, warum solltet ihr auch. Tim Gabel ist ein 20 jähriger Bodybuilder (im Internet findet man auch von seinem Body Bilder), der durch Youtube mittlerweile deutschlandweit eine gewisse Bekanntheit hat. Auf seinem Kanal veröffentlicht er des öfteren Trainingsvideos in denen er mit Gewichten herumprotzt und eine große Fresse hat. Eigentlich niemand, den ich zu meinen großen Vorbildern zählen würde. Dennoch hat er vor kurzem einen Satz gesagt, der mir einen großen Ruck gegeben hat:
"Und ich sags euch auch ganz ehrlich Leute, ihr braucht nen Plan. Wer nicht weiß, was er macht, der gurkt nur rum im Leben."
Schon witzig, da labert er ganze 6:65 nur Müll, zum Beispiel dass man jedes Mädel kriegt was man nur will, wenn man nur genug Arbeit reinsteckt*, und dann trifft er es in den letzten 15 Sekunden auf den Punkt. Dieses Mindset steht offentsichtlich hinter seinem Erfolg. Ihr habt diesen Satz in ähnlicher Form schon 100 mal gehört? Ich auch, aber erst in dem Moment hab ich ihn wirklich verstanden. Weil er aus dem Mund von jemand kam, der diesen Satz lebt.
Tim hat schon als junger Teenager angefangen zu trainieren, ist heute Bodybuilder und kriegt offentlsichtlich auch sein sonstiges Leben ziemlich gut auf die Reihe. Er hat ein top Abitur, tausende von Fans und jeder bewundert ihn oder hasst ihn aus Neid. Respekt.
Es geht nämlich nicht nur darum, zu wissen was man will. Es geht auch darum, zu wissen warum man das tut, was man gerade tut. Worauf man unbewusst hinarbeitet. Warum studiere ich Lebensmitteltechnologie? Welches Ziel könnte ich damit anstreben? Warum will ich einen fitten Körper? Wohin soll das führen?
Einfach ist es nicht, sich über so was Gedanken zu machen... aber unbedingt notwendig. Ich bin schon immer ein eher spontaner Mensch, und absolut kein Planungsgenie. Aber es ist nicht gerade zielführend, diese Eigenschaft einfach so hinzunehmen. Das, meine lieben Leser, ist was ich unter Persönlichkeitsentwicklung versteh. Dass man an sich arbeitet, um ein größeres Ziel zu erreichen.
Hätte ich mich nicht schon im dritten Semester über die Möglichkeiten eines Auslandspraktikums im fünften Semester informiert, hätte ich das sicher nicht durchgezogen... schon gar nicht von einem Stipendium finanziert an meiner Traumuni. Das ist eins der Beispiele in meinem Leben, wo ich ein klares Ziel vor Augen hatte, und den steinigen Weg dahin auf mich genommen hab.
Also, ich kann es. Jeder kann es. Man muss sich nur Zeit und Energie nehmen, über die Zukunft nachzudenken. Und das ganze am besten aufzuschreiben oder jemand anderem erzählen.
Allerdings sollte man auch nicht zu viel Zeit in der Zukunft verbringen. Das ist jetzt wirklich nichts, wovor ich Angst haben müsste 😀 Aber ich bin mir der Gefahr schon bewusst... je mehr man im Kopf in der Zukunft ist, desto mehr verpasst man was gerade passiert. Und je mehr man plant, desto weniger flexibel ist man, wenn sich auf einmal eine Riesen Möglichkeit auftut. Das hab ich schonmal schmerzhaft zu spüren bekommen (Sprachkunst), und seit dem weiß ich: man muss auch mutig genug sein, Pläne im Fall des Falles übern Haufen zu werfen. Nicht gerade einfach.
* Meiner Meinung muss man eher was anderes reinstecken, aber auf keinen Fall zu viel Arbeit, das schreckt nämlich in der Regel ab. Oweh jetzt kling ich schon wie eine noch assozialere Version von Tim Gabel. Ne, mal ernsthaft... man kann niemals jede haben, und das ist auch gut so. Manche Menschen passen einfach nicht zusammen, egal wie sehr einer von den beiden sich das erträumt. Im Endeffekt schützen einen Abweisungen vor falschen Entscheidungen, das ist mir auch erst vor kurzem klar geworden.
2.) Wissen sammeln und Kontakte nutzen
Wenn ich mir für jede Situation, in der ich in den letzten zwei Wochen gedacht hab "Hättst dich mal lieber vorher gscheid informiert" einen Finger abgeschnitten hätt... ich könnt wahrscheinlich grad noch so mit einer Hand vor mich hin tippen. Es passiert mir oft, verdammt oft.
Beispiel gefällig? Die christliche Gemeinde in State College veranstaltet jedes Semester ein Erlebniswochenende im Hinterland von Pennsylvania. Auch wenn ich mit Religion ungefähr gar nichts am Hut habe kommt mir das eigentlich ganz gut in die Quere, auf fremde Kosten umherreisen und mit Essen versorgt werden ist nie verkehrt 😀 Also los, meldst dich halt an, dacht ich mir. Bis ich die Deadline zur Anmeldung sah. Montag der 19te. Gestern.
Verdammt!!! Oskar, hättst... ihr wisst schon. Dumm gelaufen, soviel steht fest. Aber war es wirklich ein Fehler mich vorher nicht zu informieren? War es etwas, aus dem ich lernen kann?
Gar nicht so leicht zu beantworten. Einerseits ja, ich hätt mich ja auch an dem selben Tag anmelden können, an dem ich von dem Ausflug erfahren hab, vorgestern. Die Zeit hatte ich locker, und dass irgendwann eine Deadline zu erwarten ist, sollte mich eigentlich auch nicht überraschen. Andererseits kann man sich aber auch nicht über jeden Scheiss informieren. Im Zeitalter der Globalisierung und des Internets ist potentiell nützliche Information nunmal nahezu unendlich vorhanden, da muss man Prioriäten setzen. Und das kostet einen dann halt auch mal den ein oder anderen Batzen nützliche Informationen, die man falsch eingeschätzt hat oder von deren Existenz man gar nichts gewusst hat.
Was genau mein ich also, wenn ich sag, dass ich mir in der Zukunft gezielter Wissen aneigenen sollte. Um es kurz zu machen, mir geht es nur um Wissen, was einen sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit näher zu seinem Ziel bringt. Und da schliesst sich der Kreis mit dem ersten Punkt.
Es nutzt nichts, wenn man weiß was man will, wenn man nicht weiß, wie man effektiv da hin kommt. Ich will einen gut trainierten Körper? Also führt kein Weg daran vorbei, mich zumindest grundlegend über diverse Fitnessübungen, Muskelaufbau und Ernährung zu informieren. Wie auch immer, für mich haben sich vorallem diese drei Quellen bewährt:
a.) Internet
Jo, Gott sei Dank leben wir im 21. Jahrhundert, wo einem das geballte Wissen dieser Welt direkt auf den Schreibtisch geliefert wird. Wilkommen in der Welt von Google, Youtube und Wikipedia.
Wissen ansammeln übers Internet hat sich bei mir auf jeden Fall bewährt. Die größte Gefahr dabei seh ich allerdings in der Ablenkung, die hinter jedem Link lauert. Schon mehr als einmal hab ich deshalb mein WLAN ausgeschaltet, um mich wirklich auf eine Seite zu konzentrieren. Echte Fans müssen das übrigens auch bei meinem Blog machen 😀
b.) Bücher oder Filme
Der große Vorteil von Büchern ist, dass sie darauf angelegt sind, dass man sie ganz durchliest. Im Gegensatz zu Internetartikeln sind sie nicht darauf aus, deine Aufmerksamkeit zu gewinnen und dich von irgend etwas anderem abzulenken. Wenn man sich wirklich intensiv mit einem Thema befassen will, führt meiner Erfahrung nach kein Weg über gedruckte Bücher vorbei. Allein schon deshalb, weil deren Existenz viel besser in meinem Kopf hängen bleibt, als ein Artikel im Internet. In meinem Schrank füllen meine 30 Bücher circa ein Regal. Wenn ich dagegen alle Texte ausdrucken würde, die ich im Laufe der Zeit schon im Internet gelesen hätte, würden 10 Schränke vermutlich nicht genug sein. Bücher sind komprimiertes Hintergrundwissen, und damit unschätzbar wertvoll.
c.) Kontakte
Jeder Mensch könnte irgendwas an deinem Leben verbesern, jeder Mensch könnte dich glücklicher machen. Glaubt ihr da dran? Ich schon, meiner Ansicht nach macht das absolut Sinn. Selbst der schrägste Zockervollnerd, der mit 30 noch bei Mama wohnt, kennt sich bei irgendwas besser aus als du. Vielleicht kann er eine Sprache, die du nicht kannst. Vielleicht ist er voll gut im Gras anbauen oder im Lagerfeuer machen. Wie auch immer, wenn du einfühlsam mit ihm redest und ihm die richtigen Fragen stellst, wird er diese "Geheimnisse" immer mit dir teilen.
Meine Liste an Facebookfreunden ist mittlerweile geschätzt über 500, aber von wie vielen hab ich wirklich was gelernt? Und wessen Leben hab ich wirklich bereichert? Die Möglichkeiten sind unendlich, alles was man tun muss um sie zu nutzen, ist sich zu trauen nachzufragen. Und Geduld mit der Antwort zu haben. Und öfter mal bereit sein, Wissen zu teilen. Meistens ist das gar nicht mal unbedingt nötig, aber mir persönlich gibt es immer ein gutes Gefühl, jemandem etwas beigebracht zu haben.
Ungeignet sind dagegen alle Medien, die einem Wissen mehr oder weniger zufällig vor die Füße klatschen. Beispielsweise Fernsehen, Zeitschriften oder gewisse Leute in meinem Semester. Oder zielloses Herumgammeln in den Weiten des world wide web. Ja, bekenne mich 100fach schuldig. Klar, ein Leben ohne all das wäre ja auch ziemlich angespannt. Aber man sollte sich nicht einbilden, man informiert sich dabei über irgendwas. Man wird vielmehr informiert, und zwar so, wie es den Persönlichkeiten, die hinter der Medienindustrie die Fäden ziehen, gerade passt.
Also um alles zusammenzufassen, je mehr man sich gezielt mit Wissen bereichert, desto besser. Wenn es Spaß macht, nochmal beser.
3.) Zeit realischtisch betrachten
Normalerweise lernt man ja aus Fehlern. Steigt man im Bus zwei Stationen zu spät aus, schaut man das nächste Mal besser auf den Fahrplan. Verschläft man, stellt man sich das nächste Mal einen Wecker. Kann man das leckere dominikanische Streetfood nicht kaufen, weil man kein Bargeld hat, hält man sich ab jetzt einen Vorrat im Geldbeutel. Und so weiter und so fort, da hat jeder gleich 100 Beispiele parat.
Und ist der Morgen stressig, weil man in letzter Sekunde noch seine kaputten Schuhbändel austauschen und die Wäsche in die Maschine stopfen muss, plant man das nächste Mal einfach mehr Zeit ein. Und wenn man bei der letzten Prüfung allen relevanten Lernstoff am Tag davor in einem 12h Marathon, unterbrochen nur von Raucherpausen und Toilettengängen reingewürgt hat, weil man die Tage davor immer nur eine Stunde gelernt hat, teilt man sich die Zeit das nächste Mal halt besser ein.
Wirklich? Eigentlich passiert mir das immer wieder. Um ehrlich zu sein. Und mittlerweile hab ich mich damit abgefunden... es wird mir auch immer wieder passieren. Ich lern einfach kaum aus diesen Fehlern. Ich werd meine Zeit immer zu locker einschätzen, so wie 99% von euch bestimmt auch. Vielleicht bin ich ein besonders schwerer Fall, aber alleine bin ich mit dem Problem auf keinen Fall.
Meinen ersten Verdacht, dass diese "Fehler" etwas besonderes sind, hatte ich schon als Schüler. Wie jeder Bengel im Alter von 14-18 Jahren quetschte ich meine Hausaufgaben mindestens einmal pro Woche in letzter Sekunde aufs Papier. Während der Pause, während dem Kunstunterricht, manchmal sogar während der Stunde selbst. Und schon damals wunderte ich mich, dass sich mein Verhalten was das angeht im Laufe der Zeit kaum verbesserte. Klar, irgendwann hatte ich einen Terminkalender, und irgendwann hatte ich auch die Disziplin mich abends nochmal an meinen Stoff zu setzen. Aber es kam trotzdem immer wieder vor. Regelmässig, und trotzdem irgendwie jedes Mal... überraschend.
Tja, es war wohl so wie mein legendärer Zimmernachbar Stefano mir mal sagte, als ich ihn drauf angesprochen hab dass er immer Essensreste in der Küche liegen lässt:
"Look, theres is one fucking problem in my life which I cannot solve: I'm always to short in time"
Yess, ich war damit nicht alleine. Problem erkannt. Problem gelöst? Auch heute noch nicht, aber einen guten Ansatz hab ich in einem der wenigen genialen Sachbücher von Rolf Dobelli (einem meiner Lieblingsautoren generell) gelesen. Man muss einfach bewusst seine Deadline nach hinten setzen. Sich also quasi selber verarschen.
Wenn man denkt: Ich kann dieses wissenschaftliche Datenblatt bis übermorgen auf Zahlendreher überprüfen, sagt man lieber, ich mach das bis über über morgen. Dafür wird man immer Verständis finden, und wenn man es dann doch übermorgen abgibt, überrascht man sich selber oder jemand anderen obendrein noch positiv und kann sich auf die Schulter klopfen. Wenn man sich dagegen eine in dem Moment realistische (=zu optimistische) frühere Deadline setzt, und diese, aus welchem Grund auch immer, verpasst, ist die Enttäuschung unausweichlich.
So mogel ich mich aktuell mit meiner Zeit Behinderung durchs Leben, kann ich euch nur empfehlen. Kommen wir zum nächsten Punkt.
4.) Sofort handeln
Ich glaub, jeder Mensch auf der Erde hat sich schonmal vorgenommen, ab jetzt konsequenter zu handeln und weniger zu zögern. Na los. Do it now. Do it. Jetzt. Schieb die Scheisse nicht immer vor dich her.
Was für Sachen ich damit mein?
Den Visa Antrag, von dem du keine Ahnung hast wie du ihn stellen sollst. Die Vorbereitung auf die Prüfung, die du trotz Abwesenheit in jeder einzelnen Vorlesung bestehen musst. Den Anruf bei Warenhaus xy um herauszufinden, was mit deinem Geld passiert ist. Das Gespräch mit seinem Professor, weil er einen schwerwiegenden Fehler gemacht hat. Oder sonst irgend eine Herausforderung, die unangenehm oder neu ist. Und die Überwindung kostet.
Tja, man muss es halt einfach angehen. Jedes Mal, wenn man an eine dieser Sachen denkt, ohne entsprechend zu handeln, hat man Lebenszeit verloren. Und da kommt bei manchen Angelegenheiten eine Menge Lebenszeit zusammen... also bleiben nur drei Alternativen mit so etwas umzugehen. Sofort handeln, im Terminkalender verankern oder bedingungslos aus dem Kopf streichen.
Das ist nicht einfach, aber erfolgreich. Ich weiß gar nicht mehr, mit wem ich mich über das Thema unterhalten hab damals, aber seit ich dieses "Schema" auf alle möglichen Aufgaben anwende, hab ich den Kopf um einiges klarer.
Man sollte sich halt bewusst sein, dass man nicht immer alles sofort erledigen kann. Manchmal, weil es praktisch nicht geht, manchmal aber auch, weil man gerade die Energie dafür nicht hat. Aber die Energie für einen Eintrag im Terminkalender hat man immer, soviel steht fest 🙂
Also, was den Punkt angeht bin ich zur Zeit ziemlich zufrieden... allerdings ist das keine groß überraschende Wahrheit. Im Gegensatz dazu ist der nächste Punkt den meisten Menschen nicht so klar.
5.) Mit Ausdauer Ziele verfolgen
Tja, leicht gesagt, schwer getan.
Und das gilt besonders für mich. Dieser Blog hier ist das beste Beispiel. Am Anfang dachte ich echt, ich klotze hier jede Woche einen mega Beitrag hin. Naja, nicht ganz, aus Erfahrung wusste ich schon, dass es mit der Zeit eher kürzere Beiträge werden. Aber dass ich mich einfach mal ein Monat gar nicht melde? Ausgeschlossen. Ich zitiere aus dem Startpost:
Mein Vorsatz ist hier mindestens ein Eintrag pro Woche reinzuschreiben, steinigt mich nicht wenn ich mal länger brauch oder Kurzeinträge hinspucke.
Warte, wann hab ich meinen letzten Beitrag gekickt? xx. September. Und heute ist der? 20. Oktober. Ooops, und schon ist es passiert. Ein guter Vorsatz ist auf der Strecke geblieben, und das trotz vielversprechendem Anfang. Genauso lief es zum Beispiel mit den Vorbereitungen auf das Work&Travel Jahr nach dem Abitur... ich hab es damals nicht geschafft, einer der größten Fails meines Lebens.
Wieso, weshalb, warum... auf diese Frage finden so wie ich das beobachte die meisten Menschen nie eine Antwort. Warum hat man immer große Ziele und ausschweifende Pläne und gibt dann auf halber Strecke auf? Man will unbedingt eine Sprache wie Spanisch lernen und übersetzt jeden Tag eine ganze Buchseite, nur um nach drei Monaten festzustellen, dass der letzte Satz den man in Spanisch geschrieben hat schon länger her ist, als das letzte Mal Bettwäsche wechseln.
Das Problem ist, dass wir alle, und damit mein ich wirklich alle alle, ständig dem gleichen Fehler aufsitzen: Wir begeistern uns für irgend etwas und überschätzen dabei wie willensstark wir wirklich sind. Kaum lässt die Begeisterung nach, sind wir schlagartig unmotiviert und verdrängen oder vergessen was wir uns vorgenommen haben.
Wie kann man dagegen vorgehen? Die Standardantwort, die ich damals auch im P Seminar des Gymnasiums bekommen hab ist: Mach dir halt nen guten realistischen Plan mit festem Zeitrahmen und schon ist das Problem gegessen
Klingt gut, oder? Ja, aber es löst unser Kernproblem halt mal überhaupt nicht. Irgendwelche Pläne machen ist einfach, sie zu verfolgen ist aber verdammt schwer. Der springende Punkt ist das Wort "realistisch". Nur, wie sollen wir denn realistische Pläne machen, wenn wir kollektiv unfähig sind unsere zukünfte Motivation und Willensstärke sowie unser Zeitmanagement (vgl. Punkt 3) einzuschätzen.
Gott sei Dank bin ich vor kurzem auf den einzigen Menschen auf der Erde gestossen, der mir bisher eine gute Richtlinie dafür geben konnte, wie man langfristige Ziele erreicht. Ich kenn ihn persönlich kaum, im Laufe meines Studiums bin ich ihm nur einmal flüchtig begegnet, und ich weiß auch nicht wo in München seine legendäre Kampfsportschule steht. Aber seine Worte haben für mich schon öfter Gewicht gehabt. Die Rede ist von dem Blogger Nicholas Drillman.
Im speziellen dieser Artikel: http://www.nicholasdrillman.com/radical-effort-vs-incremental-change/
Sorry dass ich euch hier nur einen englischen Artikel unter die Nase halten kann, ich glaub dieser Nicholas Drillman will auf die Art auch seine zahlreichen internationalen Fans an seinen Weisheiten teilhaben lassen. Gar nicht mal ironisch gemeint, wette der hat ne Menge Fans im Ausland. Ich bin aber dann mal so frei und übersetz den wichtigsten Teil und fass euch die Kernbotschaft auf deutsch zusammen:
Am Anfang erzählt er, wie er oft beobachten konnte, dass Leute sich etwas vornehmen und sich voll in irgendein Vorhaben (wie z.B. den Körper trainieren) hereinstürzen, und sich dabei gut fühlen - nur um einige Wochen später dann enttäuscht aufzugeben, weil der gewünschte Erfolg doch nicht so schnell eintritt und man immer noch im wesentlichen so aussieht wie am Anfang. Wer kennt das nicht. Um aus diesem Kreis auszubrechen stellt er drei Auswege vor:
This is based on the idea of reversing all critical elements of the cycle of radical effort.
- Instead of putting ALL your energy and effort into a passion (Radical Effort), you identify the absolute minimum requirement for progress and stick with that (Incremental Change)
Anstatt alle Energie und Mühen in deine neue Leidenschaft zu stellen, findest du besser heraus was der absolute Mindestaufwand für Fortschritt ist, und bleibst erstmal dabei.
- Instead of shooting for success within a short time frame (Radical Effort), you assume that sustainable progress with complex tasks can only be achieved over time (Incremental Change);
Anstatt in einem kurzen Zeitraum nach Erfolg zu streben, machst du dir klar dass so ein komplexes Ziel nur über einen langen Zeitraum hinweg erreicht werden kann.
- Instead of hyping yourself up psychologically (Radical Effort), you make a very conscious effort to stay grounded, to not burnout in a short amount of time (Incremental Change).
Anstatt sich voll für das Thema zu begeistern, bemühst du dich lieber bewusst auf dem Boden zu bleiben und nicht nach kurzer Zeit einen Burnout zu kriegen.
Das klingt doch mal vernünftig. Später malt er das am Beispiel Fitness noch mal genauer aus:
Auf der einen Seite erzählt er von dem unvernünftigen Typ (also von mir :D), der sich alle 6-12 Montate in irgend ein Fitnessprogramm vornimmt und sich dann voll reinsteigert, nur um nach ein, zwei, drei Monaten ausgepowert aufzugeben. Beziehungsweise es hinter anderen Dingen im Leben hinten anzustellen.
Auf der anderen Seite erzählt er von dem vernünftigen Typ, der zehn Jahre lang jeden Tag einen Set Pull Ups macht. (seine Lieblingsübung, bei mir wären das Klimmzüge) Auch wenn er müde, beschäftigt oder unmotiviert ist, ein Set macht er immer. Wenn er gerade Lust hat auch mehr, aber vor den Pull Ups drückt er sich nie. Am Ende hat er einen heftigen Oberkörper und jeder feiert ihn.
Ich kann noch nicht sagen, ob diese "Minimalstrategie" wirklich erfolgreich ist, da ich meine Pläne bisher im Leben eigentlich noch nie wirklich so angegangen bin... aber klingt schon sehr schlüssig. Zur Zeit versuch ich alles, was ich so an großen Langzeitzielen vorhab, auf kleine tägliche oder wöchentliche Mini Häppchen herunterzubrechen.
Zum Beispiel:
-> Leute in Amerika kennen lernen: Jeden Tag mindestens einen.
-> Trainieren: Jeden Tag mindestens 3x5 Klimmzüge und 3x5 Dips
-> Ernährung: Jeden Tag mindestens ein proteinreiches LM, notfalls Eiweissshake
-> Datasheet meiner Studie prüfen: Jeden Wochentag mindestens 20min
-> Blog schreiben: Jedes Wochenende mindestens einen Absatz
Tatsache ist, fast alle Langzeitziele lassen sich gut kleinhacken. Und alles was man auch in kurzer Zeit erledigen kann (z.B einen Song schreiben oder das Zimmer putzen) muss man halt im Rausch der Begeisterung erledigen. War nur Spaß mit dem Zimmer putzen, das passt hier natürlich nicht rein, hat ja mit dem Thema Fortschritt nix zu tun. 😉
Ich werd in meinem letzten Punkt nochmal ein bisschen hier drauf eingehen.
So bleiben nurnoch drei Erkenntnisse, bei dem nächsten Thema bin ich mal auf Reaktionen gespannt
6. Andere Leute einbeziehen
Na endlich! Ich hab heute schon einmal auf Punkt 6 verwiesen, erinnert ihr euch noch? Ganz am Anfang, ich fisch euch den Satz nochmal her:
Für mich selbst hätte Ich niemals die Ausdauer, das alles aufzuschreiben (vgl Punkt 6) aber wenn ich weiß, das das jemand liest...
Natürlich wusste ich zu dem Zeitpunkt schon, worauf das hier alles hinausläuft, aber dass die folgende Weisheit nichts neues für mich ist, hat man auch früher im Blog schon gesehen. Ich zitiere mich nochmal frech selber aus dem Startpost:
Natürlich schreibe ich nicht für mich alleine, da würde mir schnell die Motivation ausgehen. Ich hab noch nie ein Tagebuch länger als ein Monat durchgehalten, und selbst wenn ich es täte würd ich wahrscheinlich bald in einen sehr langweiligen Schreibstil verfallen so dass ich es mir niemals nochmal anschaue.
Es ist echt schwer einzuschätzen, ob ich mit meiner Einstellung die Ausnahme oder der Regelfall bin, aber ich profitiere extrem davon, wenn ich mit anderen Leuten über meine Ziele und Pläne rede und diese mit ihnen teile. Oder noch besser, wenn andere das Ziel gemeinsam mit mir verfolgen. Viele Leute reden nicht darüber, was sie wirklich wollen oder denken, weil sie Angst haben andere lehnen das ab oder interessieren sich nicht dafür. Dabei sind diese Ängste in der Regel ein komplettes Hirngespinst. Ernsthaft, selbst die krassesten und ungewöhnlichsten Ziele anderer Menschen faszinieren und inspirieren mich jedes Mal aufs Neue.* Ich kann mich an keine einzige Unterhaltung erinnern, in der ich mich gelangweilt hab weil sich jemand über seine Zukunftspläne ausbreitet. Kein Wunder wir reden hier ja von der verdammten Zukunft, was kann denn bitte spannender sein als das, wovon wir noch nichts wissen?
* Zum Beispiel hat mir mal ein Bro aus Freising von seinem Plan erzählt, es sich nurnoch einmal im Monat selber zu machen. Ich kann scho verstehen, dass es eine Menge spiessiger Deutscher gibt, die sich bei so einem Thema beschämt wegdrehen, ich fands damals aber sehr spannend. Er hat es übrigens nichtmal ansatzweise geschafft, haha.
Wie auch immer, es hilft mir bei allen Vorhaben, wenn ich auf die ein oder andere Weise Leute mit einbeziehe, und diese mir Rückmeldung und Bestätigung geben. Aber ist es nicht ein Zeichen von Schwäche, wenn man Bestätigung von anderen braucht um zufrieden und motiviert zu sein? Mag sein, dann bin ich halt noch nicht stark genug, aber ich brauch definitiv Bestätigung von anderen. Ich brauch Leute, die mir sagen, dass mein Tutorium in Physik voll toll ist, um mich dafür zu motivieren. Ich brauch Leute, die mir Komplimente über meinen Körper machen, um mich zu motivieren meine Form zu halten. Aber eigentlich wollte ich auf etwas anderes heraus, kommen wir endlich mal auf den Punkt:
Sobald man sein Ziel mit jemandem teilt, hat es eine gewisse Verbindlichkeit. Das gilt zumindest für mich, ich steh ungern vor anderen Leuten als jemand da, der nicht zielstrebig ist. Und das klappt, wie man an einem aktuellen Beispiel gut beobachten kann.
Vor etwas mehr als zwei Monaten fasste ich zusammen mit meiner Freundin einen Entschluss: Wir wollten mehr Sport machen. So mit dem Hintergedanken, dass wir später dann voll des heiße Pärchen abgeben. So krass hot, dass die ganzen Leute am Flughafen dann mit offenem Mund uns angaffen und das sabbern anfangen. Zack, so stand das im Raum. Ein Ziel hatten wir, Motivation hatten wir... das einzige was noch gefehlt hat war ein gutes Rezept um an der Sache dranzubleiben.
Also musste eine neue Whatsappgruppe her. Wir vereinbarten eine einfache Spielregel... wer an einem Tag bis zu einer Stunde Sport macht, darf sich einen Punkt gutschreiben, wer bis zu zwei Stunden Sport macht zwei Punkte und so weiter. Wer nach sechs Monaten die meisten Punkte hat, muss dem anderen eine Reise in die Alpen klarmachen.
Das Ganze hat sich mittlerweile zu einem scharfen Kopf an Kopf Rennen um die meisten Punkte entwickelt, zur Zeit steht es 36:33 oder so. Und bisher klappt es prima, ich hab in meinem Leben noch nicht so viel trainiert wie seit dem Beginn dieser Challenge. Und das alles nur, weil meine Freundin mir ordentlich Gegenwehr bietet, an dieser Stelle nochmal einen öffentlichen Applaus 🙂
Klar, ich sag es zum dritten Mal... nicht jeder ist so highscoregeil* wie ich und muss gleich alles mit anderen Leuten teilen. Aber falls ihr auch so extrovertiert drauf seit, ist es ein schöner Motivationsbonus den man nicht unterschätzen sollte.
* Was auch erklärt wieso ich ein großteil meiner Jugend damit verbracht hab, strategische Onlinespiele zu zocken... ich war einfach highscoregeil. Ernsthaft, mich hat es schon immer fasziniert auf irgend einer Liste oben zu stehen. Wieso? Keine Ahnung, bin halt komisch.
7. Schwächen akzeptieren
Alors, kommen wir zu einem sehr exklusiven Punkt. Fast alles was ich hier in diesem Blogbeitrag so schreibe ist schonmal irgendwo irgendwie gesagt worden, und kommt euch unter Umständen schon bekannt vor.
Kein Wunder, es gibt ja auch hunderte von Thesen über so ein komplexes und widersprüchliches Thema wie Entwicklung und Fortschritt, und ich hab hier nur die acht hingeschrieben die mir zuerst in den Kopf gekommen sind und die sich auch 100% mit meiner Lebenserfahrung decken. Da ist es keine Überraschung, dass der ein oder andere Hobbyphilosoph gleich die selbe Meinung vertritt wie ich. Der folgende Punkt allerdings ist mir noch nie von jemand anderem unabhängig von mir unter die Nase gehalten worden. Dabei halt ich ihn für einen der wichtigsten überhaupt.
Fette Einleitung, worum gehts eigentlich. Es geht darum, wie man damit umgeht, wenn man seine Abmachungen mit sich selber nicht halten kann. Zum Beispiel einen von den zwei folgenden Vorsätze:
Stellt euch vor, ihr seid Gelegenheitsraucher und wollt jetzt komplett mit dem Rauchen aufhören. Oder, ihr seid zu dick und wollt ne Diät machen und keine Schokolade mehr essen. Ihr seid wild entschlossen es diesmal wirklich durchzuziehen und verbannt alle Zigaretten/Süßigkeiten aus dem Haus. Alles läuft wie geschmiert, ihr seid Stolz auf euch selbst und auf euren Lebenswandel.
Dann passiert es. Nach vier Wochen. Nachts, betrunken, müde, nachdem euch euer Partner verlassen hat. Oder einfach so, aus mangelnder Willenskraft. Diese eine Zigarette / diese eine Tafel Schokolade. Oh nein, warum nur? Gierig wie ihr in dem Moment wart, habt ihr gleich noch einen drauf gesetzt und noch eine geraucht / noch eine Tafel in euren fetten Bauch reingeschoben. Und euer ganzer Plan liegt in Scherben, man ist das Schicksal gemein, alles war umsonst.
Wirklich? Das Schicksal? Seid ihr nicht Herrscher über eure eigenen Handlungen, inklusive der Fehltritte? Stellt euch mal vor zwei Jahre später fragt euch ein Freund, was denn aus den Vorsätzen von damals geworden ist. Was klingt besser?
a.) Ich hab das mit dem Nichtrauchen / abnehmen ja versucht, aber nach vier Wochen konnte ich einfach nicht mehr und hab wieder angefangen.
b.) Ich bin seit zwei Jahren Nichtraucher / am Diät machen, ich hatte im ersten Jahr noch vier Rückfälle und im zweiten Jahr noch zwei, aber es lässt sich gut damit leben.
Gleicher Vorfall, unterschiedliche Reaktion, und ein komplett gegensätzliches Ergebnis. Der einzige Unterschied ist eigentlich, dass die erste Person das "Projekt Enthaltsamkeit" gleich als gescheitert ansieht, während die zweite Person den Vorfall als unausweichlichen Fehltritt interpretiert, und trotzdem weitermacht. Und das ist, in meinen Augen, klare Gewinnermentalität.
Traurig ist, wie oft ich den Satz mit dem "aber ich konnte einfach nicht mehr" in meinem Leben schon von anderen Leuten gehört hab. Und auch schon ein paar Mal von mir selber.
Am häufigsten im Zusammenhang mit den beiden oben genannten Enthaltsamkeits Beispielen. Als würden diese ein, zwei Zigaretten gleich das Aus bedeuten. Es ist nunmal schwer eine Sucht oder Gewohnheit zu überkommen, da muss man mit Rückschlägen umgehen können, und sie nicht als wilkommene Ausrede ausnutzen.
Das Ganze gilt natürlich auch für alle anderen Bereiche. Ich hab zwei Wochen nicht trainiert und mein Vorsatz schleifen lassen? Kein Grund nicht jetzt sofort wieder anzufangen. Ich hab ein Monat lang nichts in den Blog geschrieben? Egal, die Vergangenheit kann man eh nicht ändern, also wirds Zeit für den nächsten dicken Brocken.
Und was, wenn ich auch noch einen "guten Grund" hatte? Ich hab geraucht, weil das hübsche Mädel vor dem Club mir so lieb eine Zigarette angeboten hat? Ich hab nicht trainiert, weil ich bis drei Uhr nachts mit meinen Freunden herumgegammelt hab und todmüde bin?
Um so besser, dann muss man nichtmal ein schlechtes Gewissen haben. In solchen Situationen hat man schlicht und einfach sein Leben gelebt. Und wenn man das dann unterdrückt tut man sich selber auch keinen Gefallen, meine Überzeugung. Ich nenne solche Tage Erntetage. Und es gibt davon viele in meinem Studentenleben, und das ist auch okay so. An diesen Tagen werden schliesslich die schönsten Geschichten geschrieben. Wichtig ist nur, dass man sich am Tag danach einen Ruck gibt, und wieder zu seinen festen Vorsätzen zurückkommt. Und das ist der entscheidende Punkt, meine Freunde.
8. Meinungsänderungen zulassen
So, ich würde allen Lesern empfehlen erstmal eine kurze Pause zu machen. Der letzte Punkt wird nämlich der geistig herausfordernste von allen. Es ist kein Zufall, dass ich ihn ans Ende gestellt hab. Also hier mal zwei hübsche Fotos zur Entspannung:
Echt schön, dieser Herbst hier 🙂 Und das seh ich auch noch jeden Tag auf meinem Weg zur Uni, cool, oder? Schaut mal wie sich die erste Landschaft mittlerweile verändert hat:
Alles innerhalb von einer Woche... schade nur dass der Himmel mittlerweile ganz anders aussieht. Aber genug geschmachtet, kommen wir zum letzten Punkt.
Apropos schöner Herbst, das ist doch keine schlechte Einleitung. Ich bin überzeugt, die Bäume in Pennsylvania sehen im Herbst schöner aus als in Deutschland. Wieso? Na ist doch klar, jeder hat gesagt hier wird es voll bunt und scheckig und kaum bin ich hier, seh ich auch lauter bunte Bäume. Also muss es so sein. Dachte ich, bis ich in der christlichen Gemeinde State College auf einen jungen Amerikaner getroffen bin, der mir von den Herbstfarben in Deutschland vorschwärmte. Dass es bei uns ja so schöne Bäume gäb, und im Vergleich dazu ist hier alles so braun und monoton. Wie gerne er im Herbst mal nach Deutschland fliegen würde...
Wer hat jetzt also Recht. Ich? Er? Um das herauszufinden, müsste man anfangen Bäume zu zählen oder Fotos zu vergleichen. Aber Achtung, nicht solche Highlight Fotos wie von mir oben, sondern ganz zufällig geschossene Fotos, die eigentlich etwas anderes im Fokus haben. Und die nicht darauf abzielen, mit den schönsten Bäumen des Landes anzugeben.
So und jetzt stellt euch mal vor, es kommt folgendes Ergebnis raus. In Deutschland sind am 21. Oktober im Schnitt 4 von 10 Bäumen farbig und in Pennsylvania nur 3 von 10. Wie würdet ihr an meiner Stelle reagieren?
"Waaaaas? Das kann nicht sein, ihr Mistkäfer könnt doch alle nicht zählen, Unfug, ich muss es doch besser wissen. Kurz, ich glaube euch nicht."
Jo, genauso würde ich auch reagieren. Und selbst wenn sich die Zählung als fehlerfrei herausstellen sollte, würde ich mir das irgendwie noch so zurechtbiegen, dass ich meine Meinung nicht ändern muss. Dann sind halt die drei Bäume in Pennsylvania um einiges spektakulärer als die vier in Deutschland, oder die farbigen Bäume in Deutschland müssen sich wohl alle im Wald verstecken oder was auch immer, bla bla bla...
In dem Fall ist es scheißegal was ich glaube, weil es um nichts geht. Ich mein, dann soll dieser doofe Ami halt glauben, dass bei uns alles schöner ist, ich geniess auf jeden Fall meine Zeit hier. Problematisch wird es aber, wenn man an einen Glauben festhält, der falsch ist und der seinen Lebensweg massiv beeinflusst. Und jetzt kommt der Grund, weshalb dieser Punkt hier am Schluss steht.
Der gesamte Blogpost hier könnte als Beispiel dafür hergenommen werden.
Alles was ich hier schreibe, könnte auf lange Sicht falsch genug sein, um meinen Erfolg auf Dauer massiv abzubremsen. Wenn ich anders denken würde, wäre ich womöglich schon deutlich weiter. Womöglich auch nicht. Das Problem ist halt, ich kann mich nicht 100% auf meine Lebenserfahrung verlassen.
Ich muss nämlich verdammt aufpassen, wenn ich mir meine Thesen mit Beispielen belegen will. Weil ich, als typischer Mensch, einfach zu sehr davon überzeugt bin, dass das stimmt, was ich sage.
Nehmen wir doch beispielsweise mal meine beziehungsweise Drillmans Theorie aus Punkt 5.) ,dass man lieber mit kleinen Schritten (Incremental Change) effektiver auf einen langfristigen Erfolg hinarbeitet als mit großen leidenschaftlichen Sprüngen. (Radical Effort)
Nehmen wir mal an, jemand glaubt an das Gegenteil, nämlich dass man alles mit möglichst viel Leidenschaft angehen sollte. Der würde dann sagen:
"So ein Käse, deine Theorie, schau dir doch mal Kay One an. Der hat Tag und Nacht an seinen Tracks geschrieben und sich voll da reingesteigert, heute ist er gerade deswegen ein deutschlandweit bekannter Rapper."
Tja, beweist das, dass ich unrecht hab? Nö, überhaupt nicht, ich kann das nämlich wieder interpretieren wie ich will. Schaut mal wieviel Kritikpunkte mir, als eingefleischtem Incremental Change Fan, an dem Beispiel aus dem Stegreif einfallen.
a.) Ein deutschlandweit bekannter Rapper zu werden ist vielleicht eine besondere Art von Ziel, eine Ausnahme (<- Achtung, gefährliches Wort)
b.) Ja, das ist schneller Erfolg, aber der wird mit seinem Radical Effort schnell auf die Schnauze fliegen und ausbrennen, wenn er nicht konsequent bei der Sache bleibt
c.) Wer sagt denn, dass er immer voller Leidenschaft und Energie an seine Tracks rangegangen sind. Blos weil die sich so anhören? Da steckt mit Sicherheit auch jahrelange Kleinarbeit dahinter.
d.) Schau dir doch mal Alligatoah, Lars Unlimited, Mach One, Eko Fresh etc. an, die hatten alle keinen raketenartigen Erfolg und sind heute troztdem bundesweit bekannte Rapper
Man könnte meinen, ich hab die Diskussion klar gewonnen und Recht behalten. Aber so einfach ist es leider nicht. Schauen wir meine Argumente mal genauer an.
Zu a.) kann man sagen, Ausnahmen gibt es bei einer allgemein gültigen Regel nicht. Das hätte dann zur logischen Folge, dass man nur dann zum Star werden kann, wenn man auf Incremental Change scheißt und sich richtig in seine Musik reinsteigert. Mit dem Gedanken könnte ich mich schnell anfreunden, ich müsste ihn dann allerdings weiter hinterfragen.
Bei b.) kann man nur abwarten, wenn es soweit kommen sollte wäre das ein klarer Punkt für meine Theorie, unter der Annahme, dass er davor wirklich mit Radical Effort an die Sache herangegangen ist.
Und das ist eigentlich der springende Punkt, ich hab es in c.) ja schon bezweifelt. Mein ausgedachter Kontrahent hat hier eine mutige Annahme getroffen, dabei weiß keiner von uns, wie es hinter den Kulissen ablief. Stellt euch vor, Kay One hätte sich zum Ziel gesetzt in der Deutschrap Szene in kürzester Zeit ordentlich abzuräumen. Stellt euch vor wie besessen er von diesem Ziel war. Stellt euch vor, er hätte sich jeden Tag hingesetzt und Lines geschrieben, bis zum umfallen. Ist er jetzt ein typischer Vertreter von Radical Effort? Nicht unbedingt, so ein Verhalten ist nämlich durchaus mit meiner Theorie vereinbar. Er hat evtl auch nur das minimal nötige gemacht, das war halt in dem Fall verdammt viel pro Tag/Woche... was halt auch nötig war für sein hohes Ziel.
Schaut man sich d.) an, sieht man eigentlich nur die Spiegelung von dem Beispiel, was mir vor die Füße geworfen wurde. Klar seh ich mit meiner Weltsicht diese Rapper als typische Vertreter von Incremental Change an, und erkläre so ihren Erfolg. Mein Kontrahent wird allerdings kein Problem haben, diese als Vertreter seiner Theorie hinzustellen, auf die selbe Art, wie ich es mit Kay One eben gemacht hab.
Es gibt aus diesem Dilemma eigentlich nur einen Ausweg. Und der heisst, Entscheidungen treffen. Ich zum Beispiel muss mich einfach dazu entscheiden, an Incremental Change zu glauben, und zu schauen wie weit ich damit so komme. Mir hundert Jahre den Kopf zu zerbrechen, welcher von den beiden Ansätzen letztendlich zielführender ist, oder ob die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegt, ist nichts als verschwendete Lebenszeit.*
Die Methode zu einer Entscheidung zu kommen ist eigentlich simpel. Ich denk mir, was würde ein Gegner meiner Ansicht so als Beispiel anführen. (notfalls muss ich einen realen "Gegner" fragen) Kann ich das irgendwie erklären? So wie oben? Dann kommt meine Ansicht nicht ins Wanken.
Kann ich es nicht wirklich erklären, ohne das Wort "Ausnahme" zu benutzen? Dann muss ich den mühsamen Gedankensprung machen mich in meinen Gegner hereinzuversetzen. Das ist alles andere als leicht, aber dafür ist unsere Vorstellungskraft ja da. Also los.
Okay, jetzt hab ich die entgegengesetzte Ansicht. Gleiches Spiel nochmal, kann ich jetzt mein eigenes bestes Beispiel leicht widerlegen? Nein? Dann haben wir wohl beide nicht 100% Recht. Vielleicht liegt das ja daran, dass wir beide ein unterschiedliches Phänomen betrachten. So wie ich das oben in Punkt a.) auch schon vermutet hab. Vielleicht sind unsere Theorien ja auch zwei Seiten der selben Medallie, so wie das oben bei Punkt c.) durchschimmert. Dann haben wir ja doch beide Recht, und betrachten das Problem nur aus einem unterschiedlichen Standpunkt. Das heisst ja alles nicht, dass man seine Sichtweise gleich radikal ändern muss, man muss nur der anderen Sichtweise jetzt auch eine Daseinsberechtigung zollen. Und sich Fragen, wo genau die Grenzen der eigenen Sichtweise sind.
Und was wenn es einem auf einmal leichter fällt? Wenn du tatsächlich auf einmal deinen Gegner besser verstehen kannst als dich selber? Dann sollte man, so schwer es einem fällt, die Meinung ändern. Und zwar ohne zögern, sofort. Ohne sich dafür zu schämen. Niemand will der Typ sein, der 2015 noch dran glaubt, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Heute ist das unumstritten und bewiesen, damals hat es eine Menge Leute gebraucht, die genau den oben beschriebenen Prozess durchlaufen haben, bis es allgemeines Grundwissen war.
Zumindest stell ich mir das so vor. Wie jeder einzelne von den Wissenschaftlern sich damals nachts im Bett hin und hergewälzt hat, und sich gedacht hat: Verdammt, ich muss mein Weltbild ändern, ich kann das nicht länger ertragen dass ich Dinge nicht erklären kann. Hoffentlich wär ich damals keiner von den Idioten gewesen, die diese neue Idee krass abgestritten hätten.
*Außer man will deutschlandweit bekannter Philosoph werden, aber das ist wirklich nicht mein Ziel. Liebe Grüße an Emilie Reiter an dieser Stelle, die sich bestimmt über diesen Beitrag hier fett freut 😀
Übrigens überlebt auch keine der beliebten Verschwörungstheorien den oben beschriebenen Prozess. Wer ernsthaft daran glaubt, dass die Mondlandung ein Fake war oder 9/11 eine gezielte Sprengung, der steht für mich auf dem gleichen Level wie ein Schimpanse im Zoo. Aber das ist ein anderes Thema, wollts nur mal angerissen haben.
Hier soll es ja eher um diese schwer zu fassenden Leitsätzen gehen, nach denen ich handeln will, um im Leben Schritt für Schritt weiterzukommen. Der letzte Punkt ist etwas ausgeartet, ich hoffe trotzdem ihr habt euch alles durchgelesen und den Beitrag genossen.
Ich wette in zehn Jahren komm ich hier mit dem Rotstift und muss den ein oder anderen Punkt umschreiben. Wobei, vielleicht auch nicht, ich lass es euch auf jeden Fall wissen. Eine entspannte Woche wünsche ich euch allen,
euer Oskar